Frage an Günter Gloser von Andreas W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Gloser,
laut UN-Untersuchungsbericht zu den israelischen Kriegsverbrechen Anfang 2009 in den besetzten Gebieten:
"The operations were carefully planned in all their phases. Legal opinions and advice were given throughout the planning stages and at certain operational levels during the campaign. There were almost no mistakes made according to the Government of Israel. It is in these circumstances that the Mission concludes that what occurred in just over three weeks at the end of 2008 and the beginning of 2009 was a deliberately disproportionate attack designed to punish, humiliate and terrorize a civilian population, radically diminish its local economic capacity both to work and to provide for itself, and to force upon it an ever increasing sense of dependency and vulnerability."
http://www2.ohchr.org/english/bodies/hrcouncil/specialsession/9/docs/UNFFMGC_Report.pdf
Kann man nach dieser Erkenntnis, die israelische Kriegsführung gegen die palästinensische Bevölkerung sei weniger wie immer wieder behauptet, Selbstverteidigung, sondern vielmehr organisierter Terrorismus gegen eine Millionenbevölkerung mit dem Ziel diese Ihrer physischen und psychologischen Existenzgrundlagen zu berauben, noch deutsche Waffenlieferungen bzw. Waffenschenkungen an Israel verteidigen ?
Sehr geehrter Herr Menzel,
vielen Dank für Ihre Frage. Zunächst: Die Bundesregierung hat – damals noch unter Beteiligung der SPD – nach Ausbruch der Kämpfe sofort in scharfer Form eine Einstellung der Kampfhandlungen gefordert. Und auch in der Folge, als viele der im Goldstone-Bericht genannten Fakten nach und nach bekannt wurden, hat die SPD trotz einer sehr langen Tradition der Freundschaft mit Israel nicht mit Kritik am israelischen Vorgehen gespart. Und dies zurecht. Abgesehen von der rechtlichen Bewertung, die ja zum Teil auch zu Strafverfahren und zu einer intensiven Diskussion innerhalb von Israel geführt hat, bin ich auch fest davon überzeugt, dass das Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung den eigenen Sicherheitsinteressen Israels geschadet hat. Denn es muss zu einer Radikalisierung vieler traumatisierter Menschen führen, gegen die man wiederum nicht erfolgreich mit „klassischen“ Sicherheitsmaßnahmen vorgehen kann. Ein friedliches Nebeneinander von Israelis und Palästinensern rückt so in weite Ferne.
Sie fragen nun, ob man auch weiterhin Waffenlieferungen oder -schenkungen an Israel vertretbar sind. Meine Antwort ist: Nur solche Lieferungen sind gerechtfertigt, die ausschließlich der Landesverteidigung Israels dienen und keinesfalls gegen zivile Personen eingesetzt werden können.
Sie spielen ja mit ihrer Frage unter anderem auf U-Boote an, die Deutschland geliefert hat. Diese sind aber ja für den Einsatz gegen zivile Personen keinesfalls einsetzbar. Und so verhält es sich auch mit anderen Systemen, die Deutschland an Israel geliefert hat, um die Verteidigungsfähigkeit des Landes zu erhöhen, ohne dabei dem israelischen Staat z.B. Mittel zur Kontrolle besetzter Gebiete an die Hand zu geben.
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Rüstungsexporte generell und nicht nur nach Israel restriktiv gehandhabt werden müssen. Der SPD-Parteivorstand hat dazu gerade eine umfassende Stellungnahme verabschiedet, auf die ich gerne verweise:
Es wäre zwar einfacher, schlicht zu sagen: Keine Waffen für Israel! Wer als deutscher Politiker dies aber sagt, der muss sich zurecht fragen lassen, warum man für Israel aus seinem Existenzrecht nicht das Recht auf Verteidigung ableiten will. Für uns Deutsche existiert hier – leider muss man das immer wieder sagen, damit es nicht vergessen wird – eine besondere Verantwortung aus unserer Geschichte heraus.
Aus dem Existenzrecht Israels leitet sich aber nicht das Recht ab, Siedlungen zu bauen, palästinensisches Land zu besetzen oder zu enteignen oder – wie im Gazakrieg offenbar geschehen – Tod und Schrecken für die Zivilbevölkerung zumindest billigend in Kauf zu nehmen.
Ich weiß, dass differenzierte Antworten in dieser Frage nicht beliebt sind. Als Parlamentarier bin ich aber in der Pflicht, Positionen zu finden, die ich in jeder Situation vertreten kann. Im Gespräch mit Holocaust-Opfern genauso wie bei Treffen mit palästinensischen Vertretern. Ich hoffe, damit Ihre Frage beantwortet zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Günter Gloser