Frage an Günter Gloser von Werner Dr. L. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Gloser,
zu 2 Themenbereichen bitte ich Sie um Ihre Antwort und bedanke mich bereits jetzt dafür. Der erste Bereich ist die Chancenungleichheit in der Ausbildung/Bildung, der zweite der Abbau der bestehenden Staatsverschuldung.
1. In keinem anderen Industriestaat haben Kinder aus den unteren sozialen Schichten so geringe Chancen durch das Bildungssystem aufzusteigen wie in Deutschland. Dies widerspricht in eklatanter Weise dem Geist des Grundgesetzes. Meine Fragen sind: Betrachtet Ihre Partei diese Situation als Problem? Wenn ja, betrachtet die SPD die Lösung dieses Problems als wichtig oder nachrangig? Diese Situation ist sicher nicht in den letzten 4 Jahren, also in der Zeit der jetzigen SPD-Verantwortung entstanden. Aber ich habe in dieser Zeit keine Trendwende festgestellt. Daher die abschliessende Frage zu diesem Thema: Wenn dies für die SPD ein wichtiges Thema und die Lösung dringlich ist, was wird Ihre Partei anders, besser machen als in den letzten 4 Jahren, um zumindest eine Trendwende einzuleiten? Bitte sagen Sie nicht, wir werden (noch) mehr Geld für das Bildungssystem ausgeben. Mir geht es um qualitative Änderungen, Verbesserungen im Vergleich zum bisherigen Handeln.
2. Vor 4 Jahren war ein wichtiges Wahlkampfthema, die Staatsverschuldung abzubauen, um der nächsten und übernächsten Generation „Luft zum Atmen“ zu geben. Die Staatsschulden sind nun nochmals kräftig gestiegen, aus welchen Gründen auch immer. Ich wundere mich, dass dies offensichtlich nicht mehr ein wichtiges Thema der Politik ist. Das neue Gesetz („Schuldenbremse“) erschwert es nur, noch mehr Schulden zu machen, es zwingt die Regierung nicht, einen Plan zum Abbau der bestehenden Schulden zu entwickeln und umzusetzen. Welches Konzept hat die SPD hierfür?
Mit freundlichen Grüßen
W. Lampert
Sehr geehrter Herr Dr. Lampert,
danke für Ihre Anfrage über abgeordnetenwatch.de. Gerne gehe ich auf die
beiden Punkte ein.
1) Bildungspolitik / Chancengerechtigkeit
Ich stimme Ihnen zu: In den letzten Jahren ist der Einfluss des sozialen Hintergrunds auf die Bildungs- und damit auf die Lebenschancen von jungen Menschen eher noch größer geworden. Bislang ist es auch der SPD noch nicht gelungen, diesen Trend zu stoppen. Deshalb ist dieses Thema einer der wichtigsten Bereiche unserer Arbeit in den nächsten Jahren.
Dazu darf man aber nicht vergessen: Der Handlungsspielraum des Bundes ist durch die Zuständigkeiten der Länder sehr eingeschränkt, noch mehr seit der letzten Föderalismusreform. Durch das Ganztagsschulenprogramm zum Beispiel hat der Bund unter der Führung der SPD hier aber sehr wohl Akzente setzen können, die jetzt in fast allen Bundesländern wirksam werden. Im Bund allein kann dieses Feld aber nicht gestaltet werden. Das geht nur im Zusammenspiel mit den Ländern.
Die SPD wird deshalb in der nächsten Legislaturperiode die Chancengerechtigkeit zu einem Querschnittsthema machen, bei dem auch der Bund Einfluss nimmt. Durch Bafög, Kindergeld und Sozialpolitik nimmt der Bund erheblichen Einfluss auf die Bildungschancen von Kindern aus ärmeren Familien. Hier geht es nicht allein um „mehr Geld für Bildung“, sondern um die richtigen Anreize und Hilfen für die richtige Zielgruppe. Diese Politiken müssen weiterentwickelt und zwischen Bund und Ländern koordiniert werden, damit wir erfolgreich sein können.
2) Finanzpolitik / Staatshaushalt
Die SPD hat gerade seit 2005 bewiesen, dass sie auch unter schwierigen Bedingungen und mit sozialem Augenmaß den Bundeshaushalt sanieren kann. Ohne Krise wäre der Haushalt 2010, spätestens 2011 ausgeglichen. Die Krise ist eine schwere Hypothek und wirft uns um viele Jahre zurück. Der Auftrag, einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, bleibt aber bestehen. Die Steuererhöhungen bei der Reichensteuer und die Einführung einer internationalen Finanzmarktsteuer (oder nationaler Börsenumsatzsteuer) haben wir klar benannt. Außerdem wollen wir niedrige und mittlere Einkommen entlasten, indem wir den Eingangssteuersatz auf 10 Prozent senken.
Die Schuldenbremse bietet auch für echte Krisenzeiten genug Spielraum für Eingriffe des Staates und Konjunkturpakete. Wir sind dem Ziel des ausgeglichenen Haushalts weiter verpflichtet, weil es zu einem Abbau des Staatsdefizits langfristig keine Alternative gibt. Die Märchen von sich selbst refinanzierenden Steuersenkungen wurden viel zu lange geglaubt.
Ich hoffe, ich habe damit Ihre wichtigsten Fragen beantwortet.
Mit herzlichen Grüßen
Günter Gloser