Frage an Günter Gloser von Martina V. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Gloser,
wie stehen Sie zu der Tatsache, dass Vollzeitarbeitende Frauen gegenüber Teilzeitarbeitenden Frauen benachteiligt werden?
Fakt ist: Eine teilzeitarbeitende Frau und Mutter, die 20h die Woche für 1200 Euro brutto arbeitet und damit damit einen Stundenlohn von 15 Euro brutto bekommt zahlt weniger Steuern als eine Frau, die 35h die Woche arbeitet und 2100 Euro brutto verdient.
Konkret bekommt diese Frau 9,92 Euro netto pro Stunde, die teilzeitarbeitende Frau aber immerhin 11,56 Euro pro Stunde.
Finden Sie es sozial gerecht, dass eine alleinerziehende Mutter die Volltags arbeitet gegenüber einer Teilzeit arbeitenden Mutter benachteiligt wird?
Wie stehen Sie zu einer Forderung Steuern auf den Stundenverdienst zu berechnen, nicht auf den Bruttomonatsverdienst, da nur das einen Anreiz liefert auch mehr zu arbeiten?
Sehr geehrte Frau Vogt,
danke für Ihre Frage. Ich kann Ihre Verärgerung verstehen. Viele Menschen ärgern sich über die Steuerprogression, die natürlich die Freude trübt, wenn man mehr Stunden arbeitet als zuvor oder einfach eine Gehaltserhöhung erhält und dann feststellt, dass man einen höheren Steuersatz zahlen muss als bislang.
Leider ist das Steuersystem aber nicht anders zu organisieren – wenn man es sinnvoll und solidarisch organisieren will! Der Hintergedanke der Steuerprogression ist der, dass niedrigere Gehälter auch prozentual geringer belastet werden als höhere Gehälter. Einfach gesagt: Wer mehr verdient, kann auch einen höheren Steuersatz vertragen. Das ist völlig unabhängig davon, warum das Gehalt hoch oder niedrig ist – auch davon ob jemand zum Beispiel freiwillig darauf verzichtet, Vollzeit zu arbeiten oder einfach nichts anderes als eine Teilzeitstelle findet.
Zu diesem Prinzip stehe ich voll und ganz. Denn wenn man einen gleichen Steuersatz für alle einführen würde, würden Geringverdiener viel zu stark belastet. Und Leute mit höheren Einkommen würden weniger entlastet als man glaubt, weil ein Einheitssteuersatz recht hoch sein müsste, damit er die gleiche Summe zu den Staatsfinanzen beiträgt wie bisher. Und daran führt kein Weg vorbei, wenn wir die Staatsfinanzen in Ordnung bringen wollen. Wer jetzt Steuersenkungen verspricht, der sagt ganz einfach die Unwahrheit – aber das nur nebenbei.
Was Sie schreiben suggeriert ja auch, dass Teilzeitarbeit ein Problem ist und die Leute möglichst alle in Vollzeit arbeiten sollten, wenn sie können. Das sehe ich gar nicht so. Vielmehr sind Jobs, die in Teilzeit angeboten werden, eher eine Bereicherung für den Arbeitsmarkt. Denn sie ermöglichen nicht nur einen Wiedereinstieg in die Arbeitswelt, sondern für Viele auch dauerhaft die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder von Beruf und Weiterbildung oder ehrenamtlichem Engagement usw. In einer Zeit, in der es insgesamt zu wenige Jobs gibt, ist die Aufteilung von Stellen auf mehrere Mitarbeiter/innen deshalb nichts Schlechtes, sondern muss vielmehr gefördert werden – wobei aber Bezahlung und Aufstiegschancen nicht leiden dürfen. Denn sonst sind gerade viele Frauen, die Teilzeitarbeit leisten, erneut benachteiligt.
Deshalb kann ich auch der Idee nichts abgewinnen, die Steuer nach dem Stundenverdienst zu berechnen.
Ich hoffe, ich habe damit Ihre Fragen beantwortet.
Mit freundlichen Grüßen
Günter Gloser