Frage an Gregor Gysi von Guntram S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Gysi,
Bündnis90/GRÜNE haben gerade beschlossen, mit der Forderung nach einem höheren Spitzensteuersatz bei bereits mittleren Einkommen, die Mittelschicht stärker zu belasten.
Halten Sie ein Einkommen von 80000 Euro auch für so hoch, dass man als Staat unbedingt da schon den Spitzensteuersatz verlangen muss?
Wie sozialistisch schätzen Sie die Partei Bündnis90/GRÜNE ein, sind sie eine echte sozialistische Konkurrenz zur LINKEN?
Lohnt es sich als Bürger mit mittlerem Einkommen in Zukunft in "Steuersparmodelle" wie Immobilien oder Schiffsfonds zu investieren, da anders eine Vorsorge für das Alter nicht mehr möglich ist?
Setzen hohe Steuersätze nicht gerade erst die Anreize, in zum Teil fragwürdige "Steuersparmodelle" zu investieren, anstatt sein Geld einfach für den Eigenbedarf zu verbrauchen und damit Verbrauchssteuern abzuführen?
Meine Lohnsteuer, die ich als öffentlich Bediensteter zahle, wird aus Steuergeldern bezahlt, stellt also einen reinen Buchwert dar, der sich in der Haushaltsbilanz zu einer Nullnummer summiert, d.h. für Staatsaufgaben nicht zur Verfügung steht. Wäre es da nicht sinnvoll, die Lohnsteuer abzuschaffen und so Arbeitskosten zu senken, was auch zu mehr Bereitschaft der Unternehmen führen könnte, wieder Arbeitskräfte einzustellen anstatt zu automatisieren und ins Ausland zu verlagern?
Sehr geehrter Herr Seiss,
Ihre Nachricht vom 29. April hat mich erreicht.
Ein Spitzensatz bei dem von Ihnen genannten Einkommen bedeutet doch nur, dass für den darüber hinausgehenden Betrag der Spitzensatz zu bezahlen ist. Meine Partei tritt im übrigen dafür ein, dass der so genannte Steuerbauch für den durchschnittlichen Verdienst beseitigt wird. Das geht aber nur, wenn der Spitzensteuersatz erhöht wird.
Bitte haben Sie Verständnis, dass ich für Ihre weiteren Entscheidungen nicht Ihr Ratgeber sein kann, dann müssten wir uns sehr konkret über die verschiedenen Modelle unterhalten.
Sie haben hinsichtlich der Lohnsteuer bei den Beamtinnen und Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst letztlich Recht. Allerdings unterscheidet sich der Ort der Einzahlung der Lohnsteuer vom Ort des Verbrauchs. Vor allem müssen Sie aber sehen, dass es sehr viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gibt, die nicht im öffentlichen Dienst arbeiten und bei denen real die Lohnsteuer bezahlt wird. Diese ist wiederum zur Finanzierung des Bundes, der Länder und der Kommunen von herausragender Bedeutung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi