Frage an Gregor Gysi von Eric M. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Gysi,
in einem Interview der Jungen Welt [1] postulieren Sie heute folgendes:
"(...) die E-Zigarette ist ungefährlich, für Rauchende wie Nichtrauchende. Sie ist in jeder Hinsicht ein Gewinn."
Sie verfügen hier offenbar über Insiderwissen, das über den Kenntnisstand des wissenschaftlichen Mainstreams weit hinausgeht. Könnten Sie bitte der Öffentlichkeit mitteilen, woher Sie dies Erkenntnisse haben (mit Beleg)?
Bitte gehen Sie auch explizit auf nikotinhaltige Liquids ein, die mit der E-Zigarette mitunter konsumiert werden (können). Wie verdient sich eine derart psychotrope Substanz, noch dazu in einer besonders durchschlagenden Darreichungsform, das Prädikat "ungefährlich"?
Sie vertreten ebenda weiterhin die Auffassung, dass die Nikotingabe per E-Zigarette zwar für viele Raucher eine Möglichkeit darstelle, aus dem Konsum von Tabakwaren auszusteigen (Tabakabhängigkeit ist eine Suchterkrankung) und damit das Geschäft der Tabakkonzerne (und auch der Pharmaindustrie) massiv gefährde. Andererseits seien nikonhaltige Liquids aber keine medizinischen Mittel und sollten ergo nicht als solche reguliert werden. Ich verstehe hier den Gedankengang nicht - helfen E-Liquids jetzt gegen Tabakabhängigkeit bzw. bei der Sekundärprävention oder nicht? Wenn ja - warum sollen sie eine Spezialbehandlung innerhalb der Mittel zur Krankheitsbekämpfung und -linderung erhalten?
Ihr Abschlussstatement lautet:
"Die E-Zigarette ist im Kommen. Sie verdrängt zwar nicht das Tabakprodukt. Aber die Zahl der Menschen, die sie benutzen, wird weiter zunehmen."
Wenn die E-Zigarette das Tabakprodukt nicht verdrängt, warum ist sie dann noch einmal der Tabakindustrie ein Dorn im Auge?
Fänden Sie es aus emanzipatorischer Sicht wirklich völlig unbedenklich, wenn _zusätzlich_ zu bereits bestehenden Suchterkrankungen viele Menschen begönnen, das hochgradig suchterzeugende Nervengift Nikotin in Reinform zu konsumieren?
MfG
Eric Manneschmidt
Sehr geehrter Herr Manneschmidt,
Ihre Nachricht vom 15. 3. hat mich erreicht. Leider ist mir das Interview nicht noch einmal zur Autorisierung vorgelegt worden. Keinesfalls will ich, dass Menschen abhängig werden vom Nikotin. Deshalb denke ich, dass nur Raucherinnen und Raucher von der Tabakzigarette zur elektronischen Zigarette wechseln würden. Die elektronische Zigarette reizt ja nicht Nichtraucherinnen und Nichtraucher.
Für Nichtraucherinnen und Nichtraucher ist die elektronische Zigarette tatsächlich ungefährlich, weil nur Wasserdampf ausgeblasen wird. Für Raucherinnen und Raucher ist die elektronische Zigarette ungefährlicher, weil keine Verbrennung stattfindet. Das ist der gravierende Unterschied. Dadurch wird Teer nicht verbrannt und anderes, was besonders schädliche Wirkungen hat.
Die elektronische Zigarette dient nicht der Abgewöhnung vom Rauchen. Das ist damit auch gar nicht zu schaffen. Wenn man Nikotin aufnimmt, gewöhnt man sich ja nicht die Abhängigkeit von Nikotin ab. Es ist nur so, dass für Raucherinnen und Raucher die elektronische Zigarette im Vergleich zur Tabakzigarette deutlich weniger gefährlich ist und für Nichtraucherinnen und Nichtraucher in der Umgebung überhaupt nicht.
Die elektronische Zigarette kann die Tabakzigarette niemals vollständig verdrängen, weil es immer Menschen geben wird, die lieber zur Tabakzigarette greifen. Es kann aber sein, dass die Tabakindustrie Verlust hat, weil bisherige Raucherinnen und Raucher zur elektronischen Zigarette greifen. Die Regierung und die Tabakindustrie will, dass die elektronische Zigarette als Medizinprodukt gilt und nur in Apotheken nach erteilter Genehmigung verkauft werden darf. Sie können allerdings nicht beantworten, weshalb man Tabakzigaretten dann überall kaufen darf. Abgesehen davon, dass die elektronische Zigarette kein Medizinprodukt ist, ist diese Ungleichbehandlung durch nichts zu rechtfertigen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi