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Frage von Julian G. •

Frage an Gregor Gysi von Julian G. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Dr. Gysi!

Dass Sie die Rundfunkbeitragsreform in seiner 2013 in Kraft tretenden Form ablehnen finde ich gut.

Ich bin selbst Student und zahle zur Zeit nur den ermäßigten Beitrag, da ich weder Radio noch Fernseher besitze, sondern nur über einen PC sowie ein Smartphone verfüge, da ich beides zum Arbeiten, für das Studium und meine Freizeitgestaltung inklusive sozialer Konnektivität benötige.
Mir stößt der jetzige zu entrichtende Beitrag schon sauer auf, da ich höchstens die Bundestagsübertragungen im Stream verfolge und sonst nicht viel auf den - mMn recht befangenen - Öffentlichen Rundfunk gebe.
Nun habe ich letztens per Zufall bei Youtube ein altes Tagesschau-Video aus den 80ern gesehen. Mein Gott, das waren ja noch richtige, nüchterne Nachrichten! Nicht solch ein Quotenramsch, wie man den heutzutage zu ertragen hat. Für solch ein objektives Programm bin ich gerne bereit meinen einen Euro im Monat zu entrichten. Ich denke, mehr würde ein solches informatives Programm nicht kosten, wenn man Quiz- und Wettshows sowie Soaps zu streichen gedenken würde.

Doch nun zu meiner Frage:
Da ich während des Studiums gewechselt habe besteht für mich nun kein Anspruch mehr auf BaFöG. Demnach bin ich als Student nicht mehr befreit von dem Beitrag, der sich ja ab nächstem Jahr auf sage und schreibe 18 Euro (circa) pro Monat belaufen soll!
Als ob es nicht schon schwer genug sei mit dem Vorhandenen zu wirtschaften empfinde ich diese Pauschalabgabe als schreiende Ungerechtigkeit und wundere mich, warum es für Studenten keine Befreiung oder zumindest eine allgemein prozentual gestaffelte Beitragsordnung gibt.

Was denken Sie und Ihre Partei darüber und würden Sie sich für einen auf das Wesentliche reduzierten Rundfunk sowie Befreiung von Studierenden u.ä. und eine prozentuale Abgabe einsetzen?

Ich hoffe auf eine Antwort und bedanke mich schon einmal bei Ihnen - auch für Ihre wunderbare Oppositionsarbeit im Deutschen Bundestag!

Mit freundlichen Grüßen,
Julian Goergen

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Sehr geehrter Herr Goergen,

Ihre Nachricht vom 28.September hat mich erreicht.
Sie haben völlig Recht, dass zumindest Studierende von der Pflicht zu befreien wären, zumindest die Gebühr für sie ermäßigt werden müsste. Ich habe Ihr Schreiben an das Mitglied unseres Fraktionsvorstandes, die Abgeordnete Diana Golze mit der Bitte weitergeleitet, Ihnen eine etwas ausführlichere Antwort zukommen zu lassen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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Sehr geehrter Herr Goergen,

Gregor Gysi bat mich, auf Ihre beiden Fragen auf Abgeordnetenwatch näher zu antworten. Dem komme ich gerne nach:

1) Nach dem von den Ministerpräsidenten der Länder ausgehandelten und von den Länderparlamenten beschlossenen Rundfunkbeitragsstaatsvertrag werden Befreiungstatbestände weiterhin nur dann gewährt, wenn ein förmlicher Bescheid von abschließend geregelten sozialen Leistungen vorliegt. Für Studierende heißt das, dass sie nur dann von der Rundfunkabgabe befreit werden, wenn sie einen Bafög-Bescheid vorlegen können.

DIE LINKE kritisiert seit langem, dass diese Regelung an den herrschenden Realitäten vorbeigeht, da sie die Situation von Personen mit geringen Einkommen vollkommen ausblendet. Weder rechtlich noch tatsächlich nachvollziehbar ist insbesondere, dass jeder Studierende, der kein Bafög bezieht, ungeachtet seiner Einkommenssituation ausnahmslos Rundfunkbeiträge bezahlen muss, selbst dann, wenn ihm weniger Geld zur Verfügung steht, als einem grundsätzlich gebührenbefreiten Bafög-Empfänger.

Betroffen sind aber nicht nur Studierende, sondern auch Auszubildende, Geringverdiener, Bezieher von Niedrigrenten, die bewusst auf Sozialleistungen verzichten, sowie Hartz IV-Bezieher mit Zuverdienst. Aus diesen Gründen fordern wir eine generelle Einführung von weitergehenden Befreiungs- oder Ermäßigungstatbestände aus sozialen und Billigkeitsgründen insbesondere für Personen mit geringen Einkommen oder in gleicher Weise benachteiligte Personen.

Die soziale Schieflage in der Erhebung des Rundfunkbeitrags allerdings ist seit langem bekannt. Dass sie mit der zum 1. Januar 2013 in Kraft tretenden Haushaltsabgabe von den Ministerpräsidenten der Länder erneut nicht beseitigt wurde, ist skandalös. Auch in Zukunft werden wir deren Beseitigung einfordern.

2) Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sieht sich in der Bevölkerung mit zunehmenden Legitimationsproblemen konfrontiert. Diese beziehen sich nicht allein auf Fragen der Finanzierung, sondern auch auf die Qualität des Programms. Bei der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag gehen diesbezüglich viele Beschwerden ein. Diese waren mit ein Grund, ein Gutachten zu Situation und Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Auftrag zu geben. Das Gutachten "Öffentlich-rechtlicher Rundfunk zwischen Wettbewerb und Kultur" habe ich Ihnen in der Anlage beigefügt.

Unsere Position lässt sich kurz wie folgt zusammenfassen: Wir bekennen uns zu einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, in dem die Kreativen mehr und die Verwaltungen weniger zu sagen haben. Dazu gehören Mitspracherechte der Zuschauerinnen und Zuschauer, eine Ausweitung sozialer Befreiungstatbestände, eine von allen Programmbetreibern finanzierte Stiftung Media Watch, mehr Sachverstand in den Rundfunkgremien und die Auflösung der Besetzung der Spitzenpositionen nach dem Parteienproporz aus SPD und CDU/CSU. Eine Neuformulierung des Programmauftrags ist genauso dringend wie ein öffentlicher Diskurs über Grundversorgung im Digitalzeitalter.

Mit freundlichen Grüßen

Diana Golze, MdB

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