Frage an Gregor Gysi von Hans-Günter G. bezüglich Recht
Lieber Genosse Gysi,
die Diskussion über das Kölner Bechneidungsurteil hält weiter an und es ist für mich erschreckend, wie viele Politiker aus falscher Toleranz, zu Gunsten einer Religiösen Gruppe, das im Grundgesetz verbriefte Recht auf Unversehrtheit und Schutz vor Gewalt außer Kraft setzen wollen.
Am kommenden Donnerstag soll nach dem Willen der CDU im Bundestag eine Parteiübergreifende Resolution für das Recht auf Beschneidung verabschiedet werden (DIE RHEINPFALZ vom 17.07.2012).
Sie als Jurist können mir sicher die Frage beantworten, ob dies nicht ein Bruch unserer Verfassung ist?
Es kann doch m. E. nicht sein, dass eine Kindesmisshandlung- wenn ich dies privat tue eine Straftat ist und wenn ich dies im Namen irgendeines Gottes tue erlaubt sein soll?
Das Heumschnippeln am Penis eines acht Tage alten Säuglings kann sicher auch nicht mit Religionsfreiheit oder mit Traditonsrecht gerechtfertigt werden. Es ist ein massiver Eingriff in das Recht schutzbedürftiger, wehrloser Kinder.
Es ist zu wünschen, dass die Mehrheit der Abgeordneten - und vor allem die der LINKEN - erkennen, dass ein Gott der diese Perversitäten wie Beschneidung an unschuldigen Kindern verlangt, nur in den Gehirnen von machthungrigen und skrupellosen Religionsführer existiert.
Wenn sich erwachsene Männer für ein solches Ritual entscheiden, ist dies zu akzeptieren. Bei Kindern sollten Verstümmelung und schmerzhafte, religiös begründete Rituale unter Strafe stehen.
Kann ich davon ausgehen, im Falle die Resolution findet eine Mehrheit, dass die LINKE die Rechte der wehrlosen, männlichen Säuglinge vor dem Verfassungsgericht verteidigt?
Werden Sie, Genosse Gysi, dafür Sorgen, dass der Satz "Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich", nicht zu einer leeren Floskel verkommt?
Für eine schnelle Antwort bedanke ich mich herzlich.
Hans-Günter Glaser
Lieber Hans-Günter Glaser,
Ihre Nachricht vom 19. Juli hat mich erreicht.
Auf der einen Seite muss man sehen, dass Kinder unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes stehen. Die Beschneidung führt außerdem dazu, dass ein Junge dauerhaft gekennzeichnet bleibt, auch wenn er sich als Erwachsener dagegen entscheiden möchte. Auf der anderen Seite muss man allerdings auch sehen, dass es eine tausendjährige Tradition gibt, dass wir viele Eltern verletzten, wenn man ihnen diese Möglichkeit nicht gibt. Übrigens gehen die Fragen noch weiter. Eltern organisieren bei uns, dass kleinen Mädchen die Ohren durchlöchert werden, damit sie Ohrringe tragen. Auch hier werden Kinder nicht gefragt.
Wir brauchen also eine breite Diskussion dieser Fragen und kennen sowohl die Argumente dafür als auch die Argumente dagegen. Im Unterschied zu vielen anderen Abgeordneten sind wir uns also keineswegs so sicher.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi