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Gregor Gysi
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Frage von Christian D. •

Frage an Gregor Gysi von Christian D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Gysi,

Können Sie mir die Rechtmäßigkeit der Rundfunkgebühren erläutern?

Es ist doch eine Frechheit, Geld für Leistungen zu verlangen, die nicht in Anspruch genommen werden.
Ich kann doch auch niemanden ein Produkt aufzwingen, was er gar nicht will.
Das ist als würde ich einen Antrag auf Kindergeld stellen, nur weil ich die MÖGLICHKEIT habe Kinder zu zeugen.

Nun kommt 2013 auch noch hinzu das man nur ein Dach über dem Kopf haben muss um gebührenpflichtig zu sein.
Wie kann die Politik in Deutschland nur sowas zulassen?
Meiner Meinung nach, müssten die Öffentlich- Rechtlichen genauso wie andere Sender verschlüsselt werden.
Und wer diese Sender sehen bzw. hören möchte, soll dafür zahlen.
Denn das diese Sender schon längst ihren Informationsauftrag nicht mehr wahrnehmen, sieht man z.B. auch an der Kritik von Norbert Lammert aus dem Jahre 2009.
http://www.youtube.com/watch?v=FMBNHoC7TTQ

Hinzu kommt, das man durch die neue Gebührenregelung auch um seinen Arbeitsplatz fürchten muss.
Es werden kleine Betriebe zur Kasse gebeten, die sich ohnehin kaum über Wasser halten können.
Indem z.B. für jedes Fahrzeug eine Gebühr entrichtet werden soll (auch wenn diese gestaffelt werden).
Hartz 4- Empfänger sollen auch zahlen, obwohl diese schon am Rande der Existenz stehen.
Das ist meiner Meinung nach eine Ausbeutung der Bevölkerung.
Wie stehen Sie und die Linke dazu?

Ich würde mich sehr über eine Antwort freuen.

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Sehr geehrter Herr Doebbel,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 23. Februar 2012, die ich zuständigkeitshalber an den Abgeordneten Jan Korte weitergeleitet habe.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gregor Gysi

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Sehr geehrter Herr Doebbel,

das Bundeverfassungsgericht hat die Rundfunkgebühr nicht als Gegenleistung für eine von den öffentlich-rechtlichen Sendern zu erbringende Leistung eingestuft, sondern als Mittel zur Finanzierung der Gesamtveranstaltung Rundfunk. Die vom Gesetzgeber - in diesem Fall die Bundesländer - zu wählende Abgabenart ist dadurch allerdings nicht vorbestimmt.

Mit der jetzt von den Bundesländern beschlossenen Einführung einer Haushaltsabgabe wird eine gesetzliche Vermutung geschaffen, dass heutzutage in jedem Haushalt und in jeder Betriebsstätte ein Rundfunkempfangsgerät steht. Dies zeitigt erhebliche negative Auswirkungen für all jene, die kein Empfangsgerät bereithalten, für Nur-PC- oder Nur-Radionutzer, für Personen mit Behinderungen sowie für zahlreiche Unternehmen und Mittelständler.

Darüber hinaus ist die geplante Haushaltsabgabe mit einem erheblichen datenschutzrechtlichen Kollateralschäden gegenüber dem noch bestehenden gerätebezogenen Modell verbunden. Denn künftig wird es großer Kontrollanstrengungen bedürfen, gerichtsfest festzustellen, wo ein Haushalt oder eine Betriebsstätte beginnt und wo ein Haushalt oder eine Betriebsstätte aufhört. Ist eine Wohngemeinschaft ein Haushalt oder sind es mehrere Haushalte? Sind Untermieter oder volljährige Kinder mit eigenem Raum in der elterlichen Wohnung gebührenpflichtig? Und generell: Wer alles gehört zu einem Haushalt?

Bereits der Umstand, dass zukünftig sämtliche Personen Wohnungen zugeordnet werden müssen, weist auf eine erhebliche Ausweitung in der Erhebung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten hin. Zudem wird das Innehaben einer Wohnung, einer Betriebsstätte oder eines gebührenpflichtigen Kraftfahrzeugs anzeigepflichtig, so dass alle volljährigen Personen potentiell gebührenpflichtig sind und deren bei den Landesrundfunkanstalten “unverzüglich schriftlich” zu machenden Angaben bei Ein- und Umzug, bei An- und Abvermietung, bei An- und Abmeldung zu verifizieren sind.

Ferner werden auch künftig Wohnungen in einem erheblichen Ausmaße zu kontrollieren sein, weil sich Unstimmigkeiten und Kontrollnotwendigkeiten schon allein aus divergierenden Datensätzen ergeben. Denn die von der GEZ weiterhin zu beziehenden Daten der Einwohnermeldeämter sind teils inhaltlich nicht ausreichend, teils auch falsch, teils für die Zuordnung von Personen zu Wohnungen nicht brauchbar. Hinzu kommen Datenerhebung und Kontrolle bei Gewerbetreibenden, Selbständigen und Unternehmern, die neben den eigentlichen Verbrauchern ebenfalls belastet werden.

Die Datenverarbeitung wird also beim Übergang zur Haushaltsgebühr keineswegs weniger, das Gebührenerhebungsverfahren nicht vereinfacht. Weder wird die Legitimationsschwäche des jetzigen Systems behoben, noch mehr Akzeptanz für die Gebühr in der Bevölkerung geschaffen.

Aus diesen Gründen lehnt die Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag die Neufassung des Rundfunkstaatsvertrags ab. Wir würden es begrüßen, wenn in Politik und Gesellschaft eine breite Debatte über den Sinn der Entscheidung der Ministerpräsidenten für eine Haushaltsgebühr geführt würde.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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