Frage an Gitta Connemann von Frau K. bezüglich Umwelt
1. Welchen Sinn soll es haben, in die alte Abhängigkeit "Kernenergie" wieder rückzufallen? Sie ist doch schon längst als viel zu riskant erkannt worden (gerade im Hinblick auf die Terroranschläge). Außerdem beschert sie uns ewiglange krebsgefährliche Entsorgungsprobleme? Wer will schon in der Nähe eines Kernkraftwerkes leben oder in der Nähe eines Entsorgungslagers für Kernenergie?
2. Was soll bei der Natura 2000 Richtlinie "Umsetzung mit Augenmaß" bedeuten? So pi mal Daumen? Bloß nicht zu genau nehmen? Risiken und Nebenwirkungen von Eingriffen in die Landschaft sollte man meiner Meinung nach auch in der Planung ernstnehmen, denn langfristig entstehen durch ökologische Schäden extreme ökonomische Schäden, siehe Hochwasserschäden. Würde mich wirklich interessieren, was der Begriff "Umsetzung mit Augenmaß" bedeuten soll? Also ich arbeite als Umsetzer von Natura 2000 lieber wissenschaftlich fundiert, nicht allein mit Augenmaß.
3. Erklären Sie mir bitte, was in der Unionspolitik der Begriff "Nachhaltigkeit" bedeutet?
Als Diplom-Ökologin verstehe ich darunter anscheinend etwas völlig anderes.
Sehr geehrte, liebe Frau Koelmann,
für Ihre Fragen vom 1. September 2005 danke ich Ihnen. Auch für mich ist der Erhalt unseres reichen Naturerbes insbesondere für zukünftige Generationen sehr wichtig. Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der biologischen Vielfalt hatten stets und haben für die Union hohe Priorität. Dies war übrigens einer der Gründe für mich, in die CDU einzutreten. Ihre Fragen zum Umwelt und Naturschutz beantworte ich Ihnen deshalb gerne:
1.
Ich habe großes Verständnis für Ihre Sorgen bezüglich der Risiken bei der Nutzung von Kernenergie. Leider gibt es dazu in Deutschland zurzeit keine Alternative. Die Kernenergie leistet mit ihrer CO2-freien Stromerzeugung einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Die dabei vermiedenen CO2-Emissionen entsprechen dem jährlichen Ausstoß des gesamten Straßenverkehrs. Würde man die Stromerzeugung aus der Kernenergie mit dem heutigen Energiemix kompensieren, würde dies Studien zu Folge zu zusätzlichen CO2-Emissionen von rund 150 Millionen Tonnen pro Jahr führen. Ein Ersatz der Stromerzeugung aus Kernenergie durch Kohle und Gas würde zu einer deutlichen Erhöhung des CO2-Ausstoßes führen und damit den internationalen Anstrengungen zum Klimaschutz zuwider laufen. Ein weitgehender Ersatz durch erneuerbare Energien wird auf absehbare Zeit nicht zu wirtschaftlich vernünftigen Bedingungen zu realisieren sein. Dafür sind die erneuerbaren Energien noch zu weit von der Wettbewerbsfähigkeit entfernt. Auch Anstrengungen zur Stromeinsparung werden kurzfristig kaum in der Lage sein, einen Beitrag in gleicher Größenordnung zu leisten.
Deshalb ist es insbesondere aus Gründen des Klimaschutzes mehr als sinnvoll, die Restlaufzeiten bestehender Kernkraftwerke zu verlängern. Wenn wir diese Kraftwerke abschalten, müssten wir Strom aus dem Ausland dazukaufen, der dort ebenfalls in Atomkraftwerken hergestellt wird. Und diese verfügen bei weitem nicht über die Sicherheitsstandards unserer Kraftwerke.
CDU und CSU sprechen sich deshalb in ihrem Regierungsprogramm dafür aus, die Betriebsdauer deutscher Kernkraftwerke ausschließlich an der Gewährleistung des größtmöglichen Sicherheitsniveaus jeder Anlage zu orientieren. Gegebenenfalls bedeutet dies, dass bestehende Anlagen mit modernsten Sicherheitstechnologien nachgerüstet werden müssten, um eine Verlängerung der Laufzeiten zu erlangen.
Es ist dagegen falsch, dass wir den Neubau von Kernkraftwerken wollten. Hier ist offensichtlich aus wahltaktischen Gründen eine Phantomdiskussion von Vertretern der Regierungsparteien entfacht worden. Leider!
CDU und CSU setzen natürlich auch auf die regenerativen Energien. Wir wollen mindestens einen Anteil von 12,5 % erneuerbarer Energien am deutschen Stromverbrauch erreichen.
2.
Mit unserer Formulierung „mit Augenmaß“ meinen wir auf keinen Fall eine Umsetzung „Pi mal Daumen“. Vielmehr wollen wir, dass im Hinblick auf die Standortfaktoren sinnvolle Entscheidungen getroffen werden. Natürlich müssen wir dafür sorgen, dass die einmaligen Naturgebiete in unserem Land, wie auch in unseren europäischen Nachbarländern geschützt werden. Unser Ziel ist ein kooperativer Naturschutz, der sich durch ein hohes Maß an Akzeptanz und Praxisnähe auszeichnet und auf den Ausbau des Vertragsnaturschutzes abstellt.
3.
Für die Union heißt Nachhaltigkeit einerseits, die Lebensqualität der Menschen hier und heute sicherzustellen. Andererseits darf heutige wirtschaftliche Betätigung in unserem Land nicht dazu führen, dass wir durch ungehemmten Ressourcenverbrauch künftigen Generationen die Chance nehmen, sich in ähnlicher Weise entwickeln zu können.
Wir müssen deshalb innovative Forschungen und Techniken fördern, die einen möglichst effizienten Umgang mit den Ressourcen begünstigen. Wir müssen dafür sicherstellen, dass wirtschaftliche Betätigung nicht aus Ideologie heraus unterbunden wird und so die notwendigen Innovationskräfte gelähmt werden. Leitfaden sollte grundsätzlich sein, dass sich mit einem bestimmten Aufwand ein möglichst hoher Nutzen erzielen lässt.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Nachhaltigkeit ist es auch, dass wir heute eine ganz wichtige Grundlage unseres Wohlstandes – die Arbeit – nicht millionenfach ungenutzt lassen dürfen. Dieser Zustand bedeutet nicht nur millionenfach bittere Einzelschicksale in Arbeitslosigkeit. Er bedeutet auch, dass der Ressourcenverbrauch für ein bestimmtes Produktionsergebnis an vielen Stellen höher ist, als es bei zielgerichtetem Einsatz der Arbeitspotenziale der Fall wäre. Auch unter dem Blickwinkel, dass die Massenarbeitslosigkeit finanzielle Ressourcen von Wirtschaft und Staat bindet und diese für Zukunftsinvestitionen fehlen, besteht akuter Handlungsbedarf. „Vorfahrt für Arbeit“ ist damit auch ein entscheidender Beitrag zur Nachhaltigkeit unseres heutigen Wirtschaftens. Wir brauchen hierfür mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt, ein deutlich vereinfachtes und leitungsfreundlicheres Steuersystem und einen grundlegenden Umbau der sozialen Sicherungssysteme der diese u. a. demographiefester macht und ihre Finanzierung in zunehmendem Maße von den Arbeitskosten entkoppelt.
Mit besten Grüßen
Gitta Connemann