Frage an Gitta Connemann von Robert S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Connemann,
gestern habe ich im Fernsehen eine Werbung gesehen die mich sehr erschreckt hat. Es war eine Werbung zum spendenaufruf der Organisation Children um (und jetzt kommt es) HUNGERNDEN KINDERN in DEUTSCHLAND zu helfen.
Wir leben im einem der Reichsten Ländern der Welt und es HUNGERN bei uns in DEUTSCHLAND KINDER???
Wie kann das in DEUTSCHLAND passieren???
Wie kann es sein, das es immer mehr Suppenküchen in Deutschland gibt und deren Besucherzahl wächst???
Ist hier nicht unsere vom VOLK also den BÜRGERN dieses Landes Gewählte Regierung in der Pflicht!!!
Es geht hier nicht um Luxusgüter sonder um Nahrungsmittel.
Es steht ein Satz am Gebäude des Deutschen Bundestages "Dem Deutschen Volke".
Früher wurde für hungernde Kinder in der 3. Welt gesammelt. Ich wusste nicht, das wir in Deutschland nun auch schon sammeln müssen um die Kinder zu ernähren.
Im zeichen eine gehäuchelten Demographiedebatte, dass Kinder das wichtigste in unserem Staat sind, dass wir in die Zukunft der Kinder investieren müssen, kann ich das nicht verstehen.
Mein Opa hat im Krieg gehungert und in 60 Jahren werden die heutigen Kinder dann Ihren Enkeln erzählen das sie gehungert haben. Hört sich fast nach einer Fiktion an.
Das Elterngeld scheint hier als Helfer auch nicht geeignet zu sein, da es Geringverdiener, Studenten, ALG II Empfänger schlechter stellt als vorher.
Das natürlich viele Eltern hier aktiv werden müssen ist mir klar, aber Kinder können sich Ihre Eltern nicht heraussuchen.
Was gedenken Sie und Ihre Fraktion bzw. die Bundesregierung gegen Kinderarmut und Hunger in Deutschland KONKRET zu unternehmen und wie will sie es finanzieren? Bitte kein Werbeflyergewäsch sondern eine echte Antwort.
Vielen Dank
R. Schubert
Sehr geehrter, lieber Herr Schubert,
für Ihre auf abgeordnetenwatch.de eingestellte Frage danke ich Ihnen. Sie bezieht sich auf die Situation von Kindern in Deutschland, insbesondere auf Fragen ihrer ausreichenden Ernährung und Lebensmittelversorgung. Sie erfragen, was die Fraktion der CDU/CSU beziehungsweise die Bundesregierung gegen Kinderarmut und Hunger in Deutschland unternehmen wird und wie die Vorhaben zu finanzieren seien. In Ihrem Schreiben erwähnen Sie das Elterngeld als wenig hilfreiches Element im Kampf gegen den Hunger von Kindern.
Als Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion antworte ich Ihnen sehr gerne. Sie haben aber sicherlich Verständnis dafür, dass ich für die Bundesregierung nicht antworten kann.
Gibt es in Deutschland Kinderarmut?
Laut Armutsbericht der OECD, ja. Laut der OECD-Studie "Child Poverty in Rich Countries 2005" liegt der Anteil der in relativer Armut lebenden Kinder in Deutschland bei 10,2%. Als relativ arm gelten Haushalte mit einem Einkommen, das niedriger als die Hälfte des nationalen Durchschnittseinkommens ist. Bereits daraus können Sie erkennen, dass Armut im Sinne der OECD nicht gleichzusetzen ist mit Hunger.
Der Begriff der Kinderarmut definiert sich vielmehr über die materielle und emotionale Armut von Kindern. Dabei betrifft die emotionale Armut von Kindern Fragen wie Erziehungskraft, die Frage von Vernachlässigung und anderem. Gerade damit Kinder in Deutschland nicht hungern müssen oder es ihnen an anderweitigen existenziellen Gütern mangelt, ist in Deutschland gesetzlich festgelegt, dass jedes Kind im Alter bis zu 13 Jahren einen Anspruch auf Zahlung eines Grundminimums von 207 Euro pro Monat hat -- neben den Leistungen, die Eltern darüber hinaus für sich oder ihr Kind noch erhalten. Jede Mutter, jeder Vater, die eine Grundsicherung nach dem SGB II erwirbt, bekommt also darüber hinaus 207 Euro pro Monat Sozialgeld für die Grundversorgung ihrer Kinder. Darauf, ob Eltern diese Sicherungsleistungen für ihre Kinder verwenden, hat der Gesetzgeber allerdings keinen Einfluss. Von dieser Grundversorgung sollen Leistungen wie Lebensmittel, Kleidung, Körperpflege, Hausrat und Bedarfe des täglichen Lebens abgedeckt werden. Zusätzliche Leistungen erhalten Eltern für Miete und Heizung. Die medizinische Versorgung ist durch die gesetzliche kostenfreie Mitversicherung der Kinder abgedeckt.
Berufstätige Eltern, die ein geringes Einkommen haben, erhalten den Kinderzuschlag. Es ist geplant, diesen Kinderzuschlag auszubauen. Konkrete Pläne liegen aber insoweit noch nicht vor. Insbesondere auch der Kinderzuschlag trägt zur Reduzierung der Kinderarmut bei. Besonderer Vorteil des Kinderzuschlags ist, dass er die Stigmatisierung der Betroffenen als Almosenempfänger vermeidet. So fördert er die Beschäftigung der Eltern, bekämpft das Armutsrisiko und fördert gezielt die Betroffenen. Der Kinderzuschlag kann bei der Familienkasse der örtlich zuständigen Agentur für Arbeit beantragt werden und wird individuell festgesetzt.
Darüber hinaus gibt es weitere staatliche Transferleistungen, beispielhaft sei hier nur das Kindergeld genannt. Das Elterngeld stellt allerdings entgegen Ihrer Darstellung keine soziale Sicherung für Kinder dar. So war dieses niemals angelegt. Es soll ausschließlich als Lohnersatzleistung für Eltern dienen.
Sie hatten im Übrigen gefragt, auf welche Weise diese Leistungen finanziert werden. Bei allen vorgenannten Leistungen handelt es sich um staatlich finanzierte Sozialleistungen. Sie werden also aus Steuermitteln erbracht.
All diese Leistungen tragen dazu bei, die Grundsicherung von Kindern in Deutschland zu gewähren. Dennoch stellen Sie zutreffend fest, dass es in Deutschland einen wachsenden Zulauf von Suppenküchen, Tafeln und ähnlichen Einrichtungen gibt. Ich persönlich kenne diese Archen für Hilfsbedürftige nicht nur, sondern arbeite mit einigen der in meinem Wahlkreis Angesiedelten auch sehr eng zusammen -- seit Jahren. Insbesondere bewundere ich immer wieder die Tatsache, dass diese im Wesentlichen von freiwilligen Helfern und ehrenamtlich Tätigen betrieben werden.
Aus meinem Wahlkreis weiß ich, dass insbesondere Alleinerziehende zunehmend Gebrauch von diesem Angebot machen (müssen). Dies betrifft vor allem Frauen, an deren Situation sich die Komplexität der Probleme häufig ablesen lässt. Denn gerade alleinerziehende Frauen sind häufig arbeitslos beziehungsweise arbeitssuchend und aus dem Anwendungsbereich des Arbeitslosengeldes I heraus gefallen. Vor diesem Hintergrund ist es sicherlich erforderlich, die Eingliederung von Frauen in den ersten Arbeitsmarkt zu verbessern. Dazu gehört zwingend die Erweiterung der Möglichkeiten der Kinderbetreuung in Deutschland, um auch gerade alleinerziehenden Frauen eine Rückkehr ins Berufsleben zu erleichtern. Insoweit werden zur Zeit politisch unterschiedliche Pläne diskutiert. Dies beginnt bei dem kostenfreien Besuch des Kindergartens für drei- bis sechsjährige beziehungsweise für fünfjährige vor ihrem Schuleintritt. Diese Vielfältigkeit an zur Zeit dikutierten Vorschlägen lässt eine genaue Aufstellung der entstehenden Kosten zur Zeit nicht zu. Da die Betreuungskosten von Kindern Sache der Länder und Kommunen sind, würden diese damit vorrangig belastet -- so müsste auch hier der Steuerzahler für die Mehrkosten aufkommen.
Über dieses Thema ließe sich noch sehr viel mehr sagen, denn Kinderarmut und ihre Bekämpfung ist kein eindimensionales Thema. Verschiedene Politikfelder sind hier ineinander verzahnt. Dies beginnt bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, setzt sich über die Stabilisierung des Wirtschaftswachstums bis hin zur Ausgestaltung der Bildungssysteme fort. Die Herausforderungen sind erkannt.
In der Hoffnung, Ihnen mit diesen Informationen geholfen zu haben, verbleibe ich
mit besten Grüßen
Ihre Gitta Connemann