Frage an Gesine Multhaupt von Ingo-Volkmar A. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Multhaupt!
Immer wieder wird in den Medien über die stetig steigenden Kosten/Ausgaben für Arztneimittel seitens der Krankenkassen und auch der Politik geklagt. Die Kostenexplosion gerade in diesem Bereich wird ja gerne als Argument dafür ins Feld geführt, dass die Beiträge der Versicherten weiter ansteigen müssen/werden.
Ich bekomme ein Medikament aus der Gruppe der TNF-Alpha-Blocker.
Dieses Medikament kostet in Deutschland in der Packungsgröße N2, 4 Fertigspritzen, 1.822,57 €! Das gleiche Medikament in der gleichen Packungsgöße vom gleichen Hersteller kostet in Spanien 1.031,80 € !!!!
Ähnliche weitere Beispiele hier zu nennen würde den Rahmen dieser E-Mail sprengen. Können Sie mir erklären, warum die Medikamentepreise gerade in Deutschland im Vergleich zu den anderen EU-Ländern so exorbitant hoch sind bzw. sein müssen?
Mit freundlichem Gruß
Ingo-Volkmar Altrock
Sehr geehrter Herr Altrock,
ich bedanke mich für Ihre Frage vom 7.April, zu welcher ich hiermit gerne Stellung nehmen möchte. Sie beklagen die im Vergleich zu anderen EU-Ländern sehr hohen Preise für Arzneimittel. Hierzu lässt sich feststellen, dass die GKV-Arzneimittelausgaben im Jahr 2005 wieder kräftig anstiegen, nämlich um über 16 Prozen von 21,81 auf 25,36 Milliarden Euro. Dass die Arzneimittelausgaben stärker steigen als das BIP und die Gesundheitsausgaben insgesamt ist allerdings keine Besonderheit des deutschen Gesundheitssystems, sondern ein international zu beobachtender Trend.
Analysiert man die Verordnungsdaten im Hinblick auf die Frage nach den Gründen für den Ausgabenanstieg, so lassen sich folgende Zusammenhänge identifizieren:
* Die Zahl der jährlichen Verordnungen geht seit 1992 fast durchgängig zurück, nämlich bis 2004 um mehr als ein Drittel, nachdem sie bis zum Beginn der 1990er Jahre kontinuierlich und stark gestiegen war.
* Gleichzeitig stiegen die durchschnittlichen Verordnungskosten kräftig an und lagen mit durchschnittlich 39,86 Euro je Verordnung im Jahr 2005 mehr als doppelt so hoch wie 1992 (16,12 Euro).
* Der Gesamtumsatz von Fertigarzneimitteln im GKV-Bereich erhöhte sich demzufolge kräftig, nämlich allein im Zeitraum von 1992 bis 2005 um 37,5 Prozent.
Dieser Anstieg ist aber nicht auf Preiserhöhungen für die bereits auf dem Markt befindlichen Präparate zurückzuführen, sondern auf die verstärkte Verordnung neuer und teurerer Arzneimittel. Der Anstieg der GKV-Arzneimittelausgaben geht also auf die Strukturkomponente zurück: Der steigende Wert je Verordnung ist nicht auf den Preisanstieg bei auf den Markt befindlichen Arzneimitteln, sondern auf stark steigende Preise bei der Markteinführung von Medikamenten zurückzuführen.
Zur Preisbildung bei Arzneimitteln lässt sich festhalten, das in nahezu allen Ländern der Staat Einfluss auf die Gestaltung der Arzneimittelpreise nimmt. Deutschland zählt jedoch zu den wenigen europäischen Ländern, in denen die Hersteller nach wie vor Arzneimittelpreise ohne direkte staatliche Regulierung frei bestimmen können.
In den meisten anderen europäischen Ländern erfolgt eine staatliche Preisfestsetzung. Der Preis wird hierbei auf Basis von Verhandlungen mit den Herstellern oder aber in Referenz zu den Preisen in einer Anzahl von Ländern festgelegt. Eine Preisvereinbarung mit der Sozialversicherung ist in mehreren Ländern die Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln.
Das in Deutschland praktizierte Verfahren hat für Patienten den Vorteil, dass die Ärzte echte, innovative Arzneimittel nach erfolgter Zulassung *sofort und ohne Hürden* bei Kranken einsetzen können – in anderen Ländern müssen zunächst Preisverhandlungen mit den Herstellern geführt werden, bevor ein Arzneimittel zur Verfügung steht. Zudem gewährt es Herstellern von wirklich innovativen Mitteln die Möglichkeit, ihre Forschungsaufwendungen plus einen Gewinn zu erwirtschaften.
Dieses System hat auch einen Nachteil: der vorhandene Freiraum kann leicht missbraucht werden, in dem zu viel neue patentgeschützte Arzneimittel auf den Markt kommen, die aber keineswegs vielversprechender sind als bereits vorhandene, sondern oft nur teurer, manchmal sogar riskanter. Oft werden diese Mittel – trotz fehlenden Nachweises eines medizinischen Vorteils – erheblich breiter eingesetzt, als es medizinisch angemessen wäre.
Um sich und die versicherten der gesetzlichen Krankenkasse dagegen zu schützen, wurden vom Gesetzgeber in den vergangenen Jahren schrittweise Regelungen eingeführt, die es der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen erlauben, zuminderst nachträglich die Ausgaben für Arzneimittel zu begrenzen. Zu den beschriebenen Regulierungsinstrumenten zählen u.a.: Festbeträge, Rabattverträge, Importarzneimittel sowie die Kosten-Nutzen-Bewertung für Arzneimittel.
Informationen zu den einzelnen Instrumenten finden sie unter:
http://www.die-gesundheitsreform.de/glossar/festbetraege.html -
Informationen zu Festbeträgen,
http://www.die-gesundheitsreform.de/glossar/rabattvertraege.html -
Informationen zu Rabattverträgen
und
http://www.die-gesundheitsreform.de/glossar/kosten_nutzen_bewertung.html - Informationen zur Kosten-Nutzen-Bewertung.
Mit freundlichen Grüßen,
Gesine Multhaupt