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Gesine Lötzsch
DIE LINKE
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Frage von Quincy Jonas S. •

Frage an Gesine Lötzsch von Quincy Jonas S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Dr. Lötzsch,

die Partei DIE LINKE spricht sich also für einen zügigen Abzug aus Afghanistan aus, stellt alle vorgebrachten Gründe für ein intern. und speziell dts. Engagement in Frage und hält den bisherigen Verlauf des Einsatzes für grundlegend falsch.
Ich bin im Gegenteil der Meinung, daß der Einsatz von Anfang an richtig war und konsequent zu Ende geführt werden, ja das Engagement gerade auch von dt. Seite deutlich verstärkt werden müsste.

Dennoch würde mich interessieren, wie Sie, bzw. die Partei DIE LINKE sich eine mögliche Exit-Strategie vorstellen, bzw. ob es eine solche überhaupt gibt. Afghanistan sich selbst, bzw. Taliban-/Al Qaeda-Kämpfern und Warlords zu überlassen, kann wohl kaum eine sinnvolle Lösung sein.
Und mehr Geld in den zivilen Aufbau / human. Hilfe stecken zu wollen, sind zwar ehrenwerte Ziele, aber unverantwortlich den zivilen Orgas gegenüber, die ohne den milit. Schutz/Unterstützung eine solche Aufgabe übernehmen müssten. Wer soll für deren Sicherheit einstehen? Wie soll die intern. Gemeinschaft eigene Interessen ohne Truppen durchsetzen? Letztlich steht die Glaubwürdigkeit der intern. Gemeinschaft auf dem Spiel, wenn sie ihr Engagement nur halbherzig betreibt. Erst recht aber, wenn sie sich in der jetzigen Situation aus dem Land zurückzöge!

Daß noch nicht alle Probleme gelöst sind, sollte nicht darüber hinweg täuschen, wie notwendig der Einsatz ist. Hätte der 11.9.2001 einfach ohne Konsequenzen für Taliban und Al Qaeda bleiben sollen? Sollte man wegen Angst vor terroristischen Anschlägen klein-bei geben und sich einschüchtern lassen? Wie sehen Ihre Alternativen aus? Die Taliban haben sich nicht mit diplom. Druck einschüchtern lassen, Sanktionen gegen ein Regime, das bemüht war die eigene Bevölkerung zurück ins tiefste Mittelalter zu befördern? Welche realistische und verantwortungsbewusste Außenpolitik der BRD schwebt Ihnen denn vor?
Ich freue mich auf Ihre Antwort und verbleibe mit freundlichen Grüßen,
Q.J. Seelke

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Seelke,

herzlichen Dank für Ihre E-Mail.

Sie haben Recht. Die LINKE lehnt den Einsatz der Bundeswehr und die gesamte Afghanistan-Politik der Bundesregierung und der Nato ab. Wir sind der Meinung, dass die Herangehensweise in Afghanistan komplett geändert werden muss. Zunächst muss Deutschland der militärischen Option abschwören. Gegenwärtig wird jedoch das Gegenteil diskutiert. Nachdem die Bundeswehr das Kommando der sog. schnellen Eingreiftruppe (QRF) übernommen hat und unumwunden erklärt, nun ein realen Kampfauftrag erhalten zu haben, sieht das Verteidigungsminsiterium eine weitere Truppenaufstockung von in etwa 1000 Soldaten vor. Mittlerweile muss doch aber auch der Bundesregierung aufgefallen sein, dass die Militäreinsätze zu mehr Gewalt und Terror geführt haben. Unsere Alternative beinhaltet hingegen eine massive Offensive in den zivilen Aufbau.
Wie häufig in den Medien behauptet, wollen wir Afghanistan nicht seinem Schicksal überlassen. Sondern das Geld in die humanitäre Hilfe und den zivilen Aufbau investieren. Die Zahlen aus dem Jahr 2006 sprechen eine deutliche Sprache: Die Mittel aus dem Bundeshaushalt beliefen sich für ISAF auf 501 Mio. Euro und für die Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan auf. 49 Mio. Euro. Hier muss eine strukturelle Veränderung vorgenommen werden, so dass durch die Errichtung einer zivilen Infrastruktur ein Gesellschafts-und Staatswesen entstehen kann, das alle Menschen an politischen Entscheidungen teilhaben lässt und im Besonderen die Recht der Frauen stärkt. Daneben muss, um die Korruption in Afghanistan zu bekämpfen, eine neue Strategie gegen die dortigen Drogenbarone entwickelt werden. Hierbei sind Agrarinvestitionen notwendig, damit die Bauern von ihren Erträgen leben können.
Herr Seelke, das sind alternative Ansätze unserer Partei, die jenseits
des militaristischen Denkens der Bundesregierung eine Strategie für
Afghanistan entwickeln sollen.
Sie argumentieren, die Taliban hätte die eigene Bevölkerung zurück ins tiefste Mittelalter befördert und sich nicht mit diplomatischem Druck einschüchtern lassen. Aber rechtfertigt dies Kriegseinsätze? Diese interventionistische Denkweise, verfolgte man sie konsequent, könnte auch Militäreinsätze in Ländern begründen, die aber bislang (wie Saudi-Arabien und Pakistan)das Wohlwollen der Vereinigten Staaten von Amerika genießen. Die Außenpolitik der Bundesregierung kann doch nicht ernsthaft beinhalten, der USA mit ihrem Selbstverständnis, eine Art Weltpolizei zu sein, unkritisch Gefolgschaft zu leisten.
Lassen Sie mich bitte noch einen Satz zum Kampf-Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der QRF schreiben. Ich finde, die Geschichstlosigkeit der Bundesregierung, die in diesem militärischen Denken, mitschwingt, sehr bemerkenswert. Wir sind der Meinung (wahrscheinlich als einzige parlamentarische Partei), dass sich Deutschland vor dem Hintergrund seiner Geschichte weder mittelbar noch unmittelbar an einer Kriegsführung beteiligen darf. Punkt!

Ich wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute!

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Gesine Lötzsch, MdB

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