Frage an Gesine Lötzsch von Volker Z. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Dr. Lötzsch, ich frage hiermit an, mit welchem Recht der
Staat mich in eine Bedarfsgemeinschaft eingliedert gegen meinen Willen im
Rahmen einer Zwangsehe? Die Grundrechte werden damit mit Füssen getreten.
Die Bedarfsgemeinschaften wurden doch nur erfunden, damit der Staat noch
mehr Geld auf Kostend er Armen sparen kann, daher wird die Kluft zwischen
arm und reich immer größer dank der Regierung, die selbst über Armut nicht
gerade klagen kann bei den Diätenerhöhungen. Werden beim ALG II auch
demnächst Erhöhungen von 13 % vorgenommen, so hoch, wie die
Diätenerhöhung? Wenn einzelne Bürger ihr Recht auf Selbstbestimmung und
auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in Anspruch nehmen möchten, dann
ist dies begründungsfrei möglich, jedoch anscheinend nicht mehr ind er
BRD. Der Staat entstellt die notwendigen Voraussetzungen für eine
eheähnliche Gemeinschaft, und spiegelt vor, diese könne gegen den Willen
der Betroffenen entstehen. Dort wo er Bürger beraten müsste, nutzt er
deren Unwissenheit um sich einen Vermögensvorteil zu schaffen. Selbst eine
eingereichte Verfassungsbeschwerde dazu wurde ohne Begründung abgelehnt
bzw. als unzulässig erklärt. Auch dieses ist eine sehr fragwürdige
Politik. Der Ausschluss der Begründungspflicht für Nichtannahmebeschlüsse
durch das Bundesverfassungsgericht (§ 93 d, I, 3 BVerfGG) steht nicht in
Einklang mit Art. 6 EMRK.
Es wäre schön, wenn Sie kurz dazu Stellung nehmen könnten und mir
mitteilen würden, was Sie gedenken, dagegen zu unternehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Volker Zunk
Sehr geehrter Herr Zunk,
herzlichen Dank für Ihre E-Mail.
Mit der Einführung der Hartz-Gesetze durch die damalige rot-grüne Bundesregierung wurden Arbeitssuchende mit entwürdigenden Maßnahmen konfrontiert. Dazu steht im Sozialgesetzbuch II, welches die Regelungen zur Grundsicherung von Arbeitsuchenden umfasst, Folgendes: " Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, stärken und dazu beitragen, dass sie ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können."
Ich stimme mit Ihnen völlig überein, dass hinter der beschworenen "Eigenverantwortung" der Arbeitssuchenden in erster Linie haushaltspolitische Gründe stehen.
In der jüngsten Debatte um die zunächst geplanten Diätenerhöhungen wurde wieder deutlich, inwieweit sich Teile des Parlaments von den Bürgern, deren Vertreter sie ja verfassungsrechtlich sind, mittlerweile entfernt haben.
Die Volksvertreter sollen darüber entscheiden, ob es wirklich zumutbar ist, Arbeitssuchende in "Bedarfsgemeinschaften" zu stecken und mit einer sog. Bedürftigkeitsprüfung zu drangsalieren. Es ist schlicht entwürdigend, wenn beispielsweise in einer Ehe oder einer langjährigen Partnerschaft der eine unverschuldet arbeitslos gewordene Partner derart in finanzielle Abhängigkeit des anderen gerät. Die LINKE hat zahlreiche Anträge gegen die Hartz-Gesetze in den Bundestag eingebracht. Doch um die Gesetze zu ändern, benötigen wir eine gesellschaftliche Stimmung, die diese entwürdigenden Gesetze ablehnt. Wir können im Augenblick einen solchen Stimmungswechsel beobachten. Die Wahlen zum Bundestag im nächsten Jahr werden darüber entscheiden, wie es mit den Hartz-Gesetzen weiter geht.
Seien Sie gewiss, dass die Linksfraktion im Deutschen Bundestag auch weiterhin diese Drangsalierungsmaßnahmen von Arbeitssuchenden politisch bekämpfen wird.
Für Sie alles Gute!
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Gesine Lötzsch, MdB