Frage an Gesine Lötzsch von Robert R. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Ich komme aus einer Arbeiterfamilie, meine Mutter hat Jahrzehnte in ABM Stellen verbracht & in prekären Beschaftigungsverhältnissen gestanden. Ich selbst habe immer an Chancengleichheit geglaubt, auch wenn man aus der Unterschicht deutlich härter kämpfen muss, um nach oben zu kommen.
Ich habe es geschafft und habe mich hochgearbeitet, ein Startup aufgebaut und bin damit vermögend geworden, glaube aber immer noch an linke Ideale. Ich bin quasi der Lifestyle Linke, den Frau Wagenknecht als neues Feindbild innerhalb der Linken ansieht.
Nun zu meiner etwas komplexeren Frage:
Wie rechtfertigen Sie eine Vermögensabgabe und Reichensteuer, nachdem ich schon Spitzensteuersatz zahle (der auch erhöht werden soll - was ok ist), die Hälfte des Wertes meiner Unternehmensanteile, die ich mir in reale Firmenanteile habe umwandeln lassen als Lohnsteuer & Sozialabgaben abführen musste (was in der Höhe auch nicht für mehrere Jahre angerechnet wurde, sondern auch nur 1 Rentenpunkt bringt), und zu guter Letzt auch noch eine Transaktionssteuer zahle, wenn ich diese Anteile verkaufe?
Ich verstehe viele Positionen der Linke und halte sie für richtig, es ist nur schwer vermittelbar für jemanden aus der eigenen Reihe, der zu Wohlstand gekommen ist, darüber enorme monetäre Beiträge für den Sozialstaat geleistet hat und der seinen Kindern eine einfachere Zukunft ermöglichen möchte, seinen Eltern bzw. der Familie mit dem Geld auf die Beine helfen will & dann verstehen soll, warum er aus der eigenen Reihe dafür bestraft wird, sich selbst durch harte entbehrungsreiche jahrelange Arbeit, kurz vor einer Hartz 4 Zukunft stehend, gerettet hat. Während wir immer noch über Millionenkosten für eine sinnlose Einheitswippe diskutieren oder Millionen in ein sinnloses Stadtschloss versenkt wurden.
Wäre der bessere Anreiz nicht eine freiwillige Abgabe an eine Liste zur Wahl stehender NGOs, die das Leben einiger hilfsbedürftiger Gruppen besser machen wollen?
Sehr geehrter Herr Ritter,
danke für Ihre Frage. Es freut mich, dass Sie trotz der Widrigkeiten, die Sie beschreiben, heute in einer guten Situation sind und Ihrer Familie helfen können.
Ich möchte zunächst einwenden, dass Sahra Wagenknecht Sie bestimmt nicht als Feindbild hat.
Sie fragen, ob der bessere Anreiz nicht eine freiwillige Abgabe an eine Liste zur Wahl stehender NGOS wäre. Es ist sicher anerkennenswert, dass Sie bereit sind, NGO s zu unterstützen. Die Funktion von Steuern ist es Ausgaben des Staates zu finanzieren. Dazu gehört z.B. der Ausbau von Infrastruktur, von der alle einkommensunabhängig profitieren. Die Einkommenssteuer leistet dazu ihren Beitrag. Das Steuerkonzept der Partei DIE LINKE entlastet geringe und mittlere Einkommen. Sehr hohe Vermögen würden stärker belastet. Damit wird erreicht, dass die Solidargemeinschaft insgesamt stärker wird. Hierzu gehören aus unserer Sicht notwendige Ausgaben wie eine Kindergrundsicherung, die vor Armut schützt und eine Grundrente, die ebenso vor Armut schützen soll. Eine Vermögenssteuer würde dazu ihren Beitrag leisten.
DIE LINKE fordert eine Vermögensteuer mit einem progressiven Tarif und einem Freibetrag für Privatvermögen von 1 Million Euro pro Person (ohne Schulden). Wer etwa mit einer Eigentumswohnung in der Innenstadt »Papiermillionär« ist, wird nicht belastet. Das ist insbesondere wegen der Entwicklung der Immobilienpreise wichtig, die zu massivem Vermögenszuwachs für Eigenheimbesitzer führten, was aber anders als bei großen Immobilienhaien nicht mit hohen Renditen einhergeht. Der Freibetrag für Betriebsvermögen liegt bei 5 Millionen Euro. Altersvorsorge soll von der Steuer ausgenommen werden.
Der Eingangssteuersatz der Vermögensteuer startet bei 1 Prozent und steigt bis zu einem Nettovermögen von 50 Millionen Euro stetig an. Ab 50 Millionen Euro greift der Höchststeuersatz von 5 Prozent. Das ist angemessen, weil große Vermögen besonders hohe Renditen abwerfen. Zudem ist bei sehr großen Vermögen auch eine Umverteilung zulasten von Vermögenssubstanz erforderlich. Die geschätzten Einnahmen liegen dann jährlich bei 58 Milliarden Euro.
Sie fragen jedoch auch nach einer Vermögensabgabe:
Diese wollen wir für die Bewältigung der Coronakrise erheben. Diese soll für Nettovermögen über 2 Millionen Euro (für Betriebsvermögen ist der Freibetrag 5 Millionen Euro) erhoben werden. Die Vermögensabgabe ist progressiv von 10 bis 30 Prozent gestaffelt und kann über zwanzig Jahre in Raten gezahlt werden. Die jährliche Belastung des Nettovermögens beträgt so zwischen 0,1 und 1,5 Prozent. Die geschätzten Einnahmen liegen bei 310 Milliarden Euro über zwanzig Jahre.
Alles in allem denken wir, dass diese Maßnahmen zur Finanzierung eines Sozialstaats, der niemanden zurücklässt, zu rechtfertigen sind.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gesine Lötzsch