Frage an Gesine Lötzsch von Ursula N. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Lötzsch,
ich bin ganztags berufstätig, meine beiden Kinder studieren und mein Mann ist verstorben.
Mein Nettogehalt beträgt € 1.600,00 im Monat und bis vor dem Tod meines Ehemanns, der frühpensionierter Beamter war, mussten wir für den Unterhalt der Kinder aufkommen, d. h. sie bekamen kein BaFöG.
Eine Freundin von mir hat eine 18-jährige Tochter, die weder arbeitet noch zur Schule geht und offenbar auch nicht vorhat, dem Staat als arbeitendes Mitglied der Gesellschaft zur Verfügung zu stehen. Diese Tochter bekommt eine Wohnung vom Staat bezahlt und Essensgutscheine. Meine Freundin und ihr Ehemann sind für ihre Tochter nicht unterhaltspflichtig.
Mir ist nun schon oft aufgefallen, dass Menschen, die überhaupt keine Lust haben, irgendetwas zu tun, dennoch vom Staat Zuwendungen bekommen. Warum muss ich für meine Kinder, die sich redlich bemühen, den Staat auch als Sozialabgabenzahler zu unterstützen, für meine Kinder alles selber finanzieren, während diejenigen, die ihre Kinder offenbar nicht so gemeinsinnig erzogen haben, die finanzielle Last abgenommen bekommen, obwohl sie auch über entsprechende Einkommen verfügen?
Wenn meine Kinder einen Sprachkurs machen möchten, um sich beruflich besser vorzubereiten, müssen sie ihn selber zahlen. Müssen die Eltern, die es versäumten, ihre Kinder rechtzeitig mit unserer Landessprache vertraut zu machen, die Sprachkurse für die Kinder auch selber zahlen?
Mir kommt es vor, auch hinsichtlich der Debatten zur Jugendkriminalität, dass man in diesem Land besser bedient ist, wenn man sich dumm stellt und daneben benimmt. Das sichert einem doch wenigstens einige Extras.
Mit freundlichen Grüßen
Ursula Nurkowski
Sehr geehrte Frau Nurkowski,
zunächst muss ich Ihnen Respekt zollen, wenn sie angesichts dieser Situation Ihre Kinder bei deren Ausbildung unterstützten. Zweifelsohne, hier ist die Bildungspolitik gefragt. Das BaföG muss reformiert, so dass mehr Auszubildende und Studenten eine Unterstützung erhalten. Sie haben völlig Recht, dass sie als Geringverdienerin mit Steuern und Sozialabgaben über Gebühr belastet werden. Insbesondere die Erhöhung der Mehrwertsteuer trifft die Geringverdiener hart. Die LINKE hat die Rücknahme der Mehrwertsteuererhöhung gefordert. Dieser Antrag wurde von der CDU-SPD-Koalition abgelehnt.
In Ihrem Vergleich unterstellen sie, dass es einem besser geht, wenn man nicht arbeitet. Arbeitslosigkeit bedeutet nicht nur Verlust des Berufes, sondern häufig auch - neben enormen Einkommenseinbußen Existenzängsten - den Verlust des Selbstwertgefühls. Die überwiegende Mehrzahl der Arbeitssuchenden will arbeiten und leidet unter ihrer Situation.
Meines Erachtens dürfen Arbeitssuchende und enorm belastete Arbeitnehmer nicht gegeneinander ausgespielt werden. Im Gegenteil: Die einen brauchen Arbeit, die anderen eine höheren Lohn.
Dass Sprachkurse für Immigranten in der Regel kostenfrei sind, ist gut und wichtig. Das heißt jedoch nicht, dass Geringverdiener nicht in der Ausbildung ihrer Kinder unterstützt werden müssen.
Die von Ihnen angesprochenen Extras bekamen doch in den letzten Jahren nicht die Arbeitslosen, sondern ausschließlich Reiche und Besserverdienende, die sich mehr und mehr von der Gesellschaft und deren sozialen Zusammenhalt verabschieden.
Für Sie weiterhin alles Gute!
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gesine Lötzsch, MdB