Frage an Gesine Lötzsch von Brigitte W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Dr. Loetzsch,
meine Frage bezieht sich auf den Artikel im Berliner Abendblatt vom 03.10.2007. Danach ist für Tätigkeit in Jugendfreizeitstätten ein Vergütungslohn von 27,28 EURO je Stunde beschlossen worden. Gilt das auch für die JVS (Jugendverkehrsschule) des Bezirkes in der Baikalstraße? Wenn ja, wie kann man dann 1,50 EURO Jobs durch die Arbeitsämter in solchen Einrichtungen vermitteln, und diese sind eigenverantwortlich auszuführen (Schulung zu diesem Thema über die BUF aber wohl nicht zusätzlich, wie immer angegeben ? ) Wir sind ein Team von derzeit 8 engagierten Hartz IV Empfängern, aufgeteilt nach Hohenschönhausen und Lichtenberg und würden uns sehr über eine Einstellung in den JVS freuen, wir haben viele Ideen und identifizieren uns auch von der Qualifikation her mit diesem Projekt. Wo verbleibt der Restbetrag von 25,78 Euro in unsrem Fall? Auf Ihre Antwort warten 8 Hartz IV Empfänger, die ehrlich bemüht sind, einen ihren Vorstellungen entsprechenden Job zu finden.
Sehr geehrte Frau Wolf,
vielen Dank für Ihre Frage vom 4. Oktober und Ihre mail vom 7.Oktober.
Im Berliner Abendblatt haben Sie gelesen, dass eine Angebotsstunde Jugendarbeit in Jugendclubs ab 2008 mit 27,28 Euro vergütet wird. Zu Recht beanspruchen Sie meines Erachtens eine höhere Vergütung, wenn Sie im Rahmen Ihrer MAE-Maßnahme die selbstständige Betreuung der Verkehrschule übernehmen – aber dazu später. Klarstellen möchte ich zunächst, dass es sich bei dem im Abendblatt genannten Entgelt handelt nicht um einen Vergütungslohn handelt. Von diesem "Entgeltsatz" muss der Träger alle Aufwendungen finanzieren, also sowohl Personalkosten als auch Sachkosten, Betriebskosten. Die Jugendverkehrsschule ist kein Jugendclub (und erhält somit keine 27,28 Euro je Angebotsstunde), sondern eine Einrichtung des Amtes für Schule und Sport des Bezirksamtes. Eine höhere Vergütung Ihrer Tätigkeit ist durch diese Regelung also leider nicht abgedeckt.
Zurück zur Frage nach der gerechten Entlohnung Ihrer MAE-Maßnahme. Sie arbeiten in Ihrer Maßnahme selbstständig und verfügen als ausgebildete Lehrerin über eine hohe Qualifikation. Die Linksfraktion kritisiert an den sogenannten "1-Euro-Jobs" vor allem, dass diese keine Lösung sind, die Arbeitslosigkeit zu beseitigen und den Niedriglohn in Deutschland noch salonfähig machen. Bei den MAE- Maßnahmen handelt es sich nicht um reguläre Beschäftigungsverhältnisse. Weder können sie aus Ihrer Tätigkeit einen Rentenanspruch ableiten, auch ein Urlaubsanspruch besteht nicht. Es gibt keinen Kündigungsschutz und Tarifverträge finden schon gar keine Anwendung, selbst wenn die zu verrichtende Arbeit nach Art und Umfang eine höhere Bezahlung rechtfertigen würde. Nur für die Bundesagentur für Arbeit handelt es sich offenbar um eine reguläre Beschäftigung – zumindest in ihrer Arbeitslosenstatistik, denn aus dieser rechnet sie die MAE-Beschäftigten, aber faktisch Arbeitslosen einfach heraus und färbt somit die Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung schön. Darüber hinaus wird reguläre Beschäftigung verdrängt.Oft werden eben nicht nur Hilfsttätigkeiten ausgeführt, sondern wie in Ihrem Fall Arbeiten verrichtet, die ein höheres Maß an Verantwortung, Eigenständigkeit und auch fachlicher Qualifikation und somit ein angemessen bezahltes, sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis erfordern. Statt Menschen dabei zu unterstützen, den Weg auf den ersten Arbeitsmarkt zurückzufinden, werden sie mit der MAE-Maßnahme auf dem Gleis abgestellt. Dass eine MAE-Maßnahme den Weg auf den ersten Arbeitsmarkt ebnen würde, hat sich wohl in den meisten Fällen eher als modernes Märchen herausgestellt. Als Gegenentwurf zum MAE-Modell spricht sich meine Fraktion für die Förderung des öffentlich geförderten Beschäftigungssektors aus. Die MAE-Maßnahmen stellen eine Geringschätzung Ihrer beschriebenen Tätigkeit und Qualifikation dar. Damit muss endlich Schluss sein! Wir wollen mit u.a. mit öffentlich geförderter Beschäftigung erreichen, dass Menschen Ihrer Tätigkeit sozialversicherungspflichtig nachgehen können, ohne stets in Sorge sein zu müssen, in Altersarmut zu landen oder ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familie trotz Arbeit nicht finanzieren zu können. Finanzierungsmöglichkeiten gibt es genug- allein der Verzicht auf die Absenkung der Unternehmenssteuer in Milliardenhöhe hätte zur Finanzierung unseres Vorhabens beitragen können.
Das amerikanische Modell der „working poors“, zu Deutsch- der arbeitenden Armen- lehnen wir ab. Wer arbeitet, soll existentiell abgesichert sein und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Ich hoffe, dass sich die Politik in Deutschland wieder mehr nach links verschiebt. Erste Anzeichen gibt es schon, denn immerhin denken SPD und Teile der CDU darüber nach, die Bezugsdauer des ALG I zu verlängern. Der Druck von links durch eine viel stärker gewordene Linkspartei hat also schon etwas bewirkt, wenn auch vieles noch unerreicht ist. Seien Sie gewiss, dass ich mit meiner Fraktion unsere Forderungen unermüdlich in die Öffentlichkeit tragen werde. Nur so wächst der Druck auf die Regierenden, endlich zu handeln. Trotz der unbefriedigenden Situation mit Ihrer Beschäftigung wünsche ich Ihnen alles erdenklich Gute für sie und Ihre Familie. Bei weiteren Fragen, Sorgen oder Anregungen scheuen Sie sich bitte nicht, mich wieder zu kontaktieren. Zwecks Terminvereinbarung wenden Sie sich bitte an mein Büro unter der Telefonnummer 030 227 717 87.
Ihre Gesine Lötzsch