Frage an Gesine Lötzsch von Stefan G. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Lötzsch,
Egal wo man heute einkaufen geht, stehen vor dem Eingang zu den Geschäften benachteiligte Bürger, die eine Straßenzeitung verkaufen oder um Spenden bitten; egal mit welcher U- oder S-Bahnlinie man unterwegs ist, ständig trifft man auf Menschen die um Almosen bitten.
Ich bin jetzt 34 Jahre alt und lebe seit mehr als 15 Jahren in einer Großstadt. Meinem Eindruck nach, nimmt die Zahl der Leute, die scheinbar auf Almosen angewiesen sind, immer mehr zu.
Mir stellt sich hier nun also folgende Frage: wie kann es sein, dass in einem Land, das sich wirtschaftlich von einem Rekordjahr zum nächsten hangelt, so viele Menschen scheinbar auf der Strecke bleiben? Handelt es sich hierbei um ein rein organisatorisches Problem? Ist vielleicht der Zugang zur staatlichen Hilfe zu kompliziert für viele Menschen?
Uns wurde in der Schule gelehrt, dass das soziale Netz unseres Landes so engmaschig sei, dass niemand hindurch fallen könne. Liegt das Problem also am Netz oder an den Menschen?
Vielen Dank im voraus für Ihre Einschätzung.
Mit den besten Grüßen,
Stefan Graser
Sehr geehrter Herr Graser,
danke für Ihre Frage an Frau Lötzsch, die ich in ihrem Namen beantworten möchte. Sie wohnen in Karlshorst. Daher möchte ich den Bezug zu unserem Bezirk herstellen. In Lichtenberg stellt uns die soziale Spaltung vor große Herausforderungen.
Die Armuts- und Reichtumsquote steigt gleichermaßen. So lautet das zentrale Ergebnis einer Kleinen Anfrage des Mitgliedes des Berliner Abgeordnetenhauses, Evrim Sommer vom Februar 2015. Ein Drittel der Minderjährigen in Berlin-Lichtenberg hat weniger als 60 Prozent des Mittleren Einkommens zur Verfügung. Es gilt damit als armutsgefährdet. Besonders beunruhigend ist die Tatsache, dass ihr Anteil innerhalb eines Jahres um neun Prozent gestiegen ist.
Hierzu tragen eine Reihe von Gründen bei: Prekäre Beschäftigungsverhältnisse haben in den letzten 10 Jahren immer stärker zugenommen, auch bedingt durch den Druck der Hartz IV Reformen, welche das Lohnniveau in den unten Einkommensgruppen haben sinken lassen. Gleichzeitig nehmen nicht alle Betroffenen aus Scham die ihnen zustehenden Leistungen in Anspruch. Wir erheben die Forderung, eine bedarfsdeckende Grundsicherung frei von Sanktionen zu gewähren. Der Mindestlohn, für den wir in anderer Höhe (10 Euro/ Stunde) gekämpft haben, hat leichte Verbesserungen mit sich gebracht, reicht aber noch nicht aus. Darunter leider vor allem auch die Kinder. Die Armutsgefährdung von Kindern ist auch in unserem Bezirk relativ hoch.
Ich hoffe, Ihre Frage damit beantwortet zu haben und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
i.A. Norman Wolf