Frage an Gesine Lötzsch von Brigitte W. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Dr. Lötzsch,
hatte leider keine Themenwahlmöglichkeit. Hartz 4 Empfängerin und derzeit über gut noch 2 Jahre vertraglich in der Bürgerarbeit beschäftigt, bei 900 € Brutto, 30 Stunden/Woche, mit Anspruch auf Hartz4 in der Bedarfsgemeinschaft (Verrechnung). Die Arbeit macht mir Freude und ich kann mich einbringen. Ich bin froh, dass ich diese Tätigkeit ausüben kann.
Nun wurde ich zum Gespräch im Jobcenter eingeladen mit Rechtsfolgebelehrung zwecks Übergabe eines Coachinggutscheines.
Meine Fragen sind:
Was sollen mir Coacher nach zig Qualifizierungen noch beibringen, die ich mir wohl auch noch selbst suchen muss, wo sich auf dem allgemeinen Markt angeblich viele schwarze Schafe tummeln und ich nicht einmal weiß, wie meine Daten geschützt sind?
Wird hier auch Geld verschwendet? Gibt es derzeit Bemühungen bei den "Linken" dieser unnützen Geldverschwendung ein Ende zu setzen?
Welchen Sinn macht es, Leute in meinem Alter damit auch noch zu belasten? Wie oft ich zum Frisör muss und welches outfit ich tragen muss, damit mich Arbeitgeber akzeptieren, eine neue coole Brille vielleicht auch noch? Oder mich total umkrempeln, oder mir einreden lassen, mich als Person zu verleugnen? Und wer bezahlt dann diese coaching Festellungen, wenn ich so einen Quark dann umsetzen würde?
Sehr geehrte Frau Dr. Lötzsch,
ich würde mich freuen, wenn Sie mir baldmöglichst meine Fragen beantworten würden, da der Termin beim Jobcenter kurzfristig anberaumt wurde.
Vielen herzlich Dank
Sehr geehrte Frau Wolf,
Frau Lötzsch hat Ihre Email gelesen und mich gebeten, Ihnen zu antworten.
Coachingmaßnahmen können im Einzelfall sinnvoll sein, aber lösen nicht das Problem als solches. In aller Regel haben sich diese Instrumente nicht bewährt. Der Einstieg in den 1. Arbeitsmarkt aufgrund von Coachingmaßnahmen gelingt nur sehr selten.
Darum muss der Ansatz ein anderer sein. Statt sogenannte "schwer vermittelbare" Arbeitssuchende in Leiharbeit oder 1-Euro Jobs zu bringen, setzen wir auf einen qualitativ hochwertigen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor. Dieser muss auf Freiwilligkeit und sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung beruhen. Die Entlohnung darf nicht unter dem gesetzlichen Mindestlohn erfolgen und muss sich darüber hinaus an vorhandenen Tarifverträgen oder an der ortsüblichen Bezahlung orientieren. Bürgerarbeit wie Sie sie ausüben, muss ausgebaut werden. Unter der rot-roten Koalition in Berlin gab es den Öffentlich-geförderten Beschäftigungssektor (ÖBS) ähnlich der Bürgerarbeit. Die neue rot-schwarze Koalition wird den ÖBS abschaffen. Der ÖBS hat Menschen zu anständigem Lohn in Arbeit gebracht.
Bezüglich Ihres Termins beim Job-Center empfehle ich Ihnen, im Gespräch mit Ihrem Vermittler noch einmal genau zu hinterfragen, ob dieses Coaching in Ihrer konkreten Situation tatsächlich dazu geeignet ist, ihre Chancen auf dem 1. Arbeitsmarkt zu verbessern. Eventuell gibt es andere Qualifizierungsmaßnahmen, die eventuell an Ihre Tätigkeit in der Bürgerarbeit anschließen.
Ich wünsche Ihnen alles Gute und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
i.A. Norman Wolf