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Gesine Lötzsch
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Frage von Olaf R. •

Frage an Gesine Lötzsch von Olaf R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Dr. Lötzsch,

am vorigen Samstag war ich bei einer Veranstaltung des Bildungswerks für Friedensarbeit, wo Prof. Dovid Katz, aus den USA stammender und bis vor Kurzem in Vilnius lehrender Jiddisch-Professor, über die bis heute dauernde Verfolgung und Diffamierung jüdischer Überlebender aus Vilnius berichtet hat. Er verlor seine Professur in Vilnius, wel er der Gleichsetzung der Verbrechen des Stalinismus mit dem Völkermord an den Juden widersprochen hat, was in Litauen und in Ungarn unter Strafe steht. Ähnliches ereignet sich nach Angaben von Prof. Katz auch in anderen osteuropäischen Staaten, ohne dass Institutionen wie Bundestag, EU-Parlament, UNO, UNESCO oder UEFA - man bedenke, dass bald eine EM in Polen und der Ukraine stattfiden soll! - das wahrnehmen oder dagegen einschreiten würden. Auf den folgenden Seiten im Internet können Sie näheres erfahren, beim Bildungswerk für Firedensarbeit gibt es auch Links zu Artikeln aus dem ND und der"jungen Welt", die die Situation aktuell beschreiben:

http://www.bildungswerk-friedensarbeit.org/wp/
http://defendinghistory.com/

Meine Fragen an Sie:
1. Ist Ihnen dieser Sachverhalt bekannt (oder haben Sie andere Informationen darüber)?
2. Was ist Ihre Meinung dazu?
3. Wenn Sie den Sachverhalt genauso sehen: was gedenken Sie dagegen zu tun?

Mit freundlichen Grüßen
Olaf Ruhl

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Sehr geehrter Herr Ruhl,

Frau Dr. Lötzsch hat mich gebeten, Ihre Anfrage für sie zu beantworten.
Bitte entschuldigen Sie die Verzögerung bei der Bearbeitung, es gehen bei uns viele Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern zu den verschiedensten Themen ein, nicht in jedem Falle können wir sofort antworten.

Leider ist es in der Tat so, dass in vielen Ländern Osteuropas eine Gleichsetzung der Verbrechen des Nationalsozialismus mit denen des Stalinismus, oft auch verbunden mit einem versteckten oder offenen Antisemitismus, in großen Teilen der Gesellschaft verbreitet und in den genannten Ländern diese Geschichtssicht "gesetzlich vorgeschrieben" ist. (In Polen und Tschechien gab bzw. gibt es ähnliche Bestrebungen.) DIE LINKE teilt die Auffassung, dass eine solche Sichtweise eine Verharmlosung der Verbrechen des Nationalsozialismus und besonders der Shoah darstellt.

Es ist nicht ganz zutreffend, dass solche Darstellungen und ihre politische Festschreibung international unwidersprochen bleiben. Leider sind die politischen Vertreter dieser Auffassung in den internationalen Organisationen erfolgreich (so hat zum Beispiel die OSZE in einer Resolution 2009 gleichzeitig Faschismus und Stalinismus verurteilt) und in der Tat liefern die stalinistischen Verbrechen dieser Sicht Argumente. Allerdings sind die Vertreter der Linken (der Partei wie der internationalen Linken) derartigen Auffassungen immer entgegengetreten. Auch antifaschistische Verbände und Organisationen haben sich immer so positioniert. Leider fällt es schwer, mit solchen Positionen in der Medienberichterstattung durchzudringen.

DIE LINKE wird sich auch weiterhin für eine differenzierte Betrachtung der Geschichte einsetzen, die einerseits die Verbrechen des Stalinismus nicht verharmlost, andererseits die Einmaligkeit der faschistischen Verbrechensmaschinerie deutlich macht und das Andenken der Opfer in Ehren hält.

Erlauben Sie mir, Ihnen für Ihr Engagement in dieser Frage und für Ihr Interesse an den Positionen der LINKEN zu danken.

Mit freundlichen Grüßen

Andreas Günther

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