Frage an Gesine Lötzsch von Uwe W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Dr. Lötsch
Den Medien entnehme ich, dass Sie Fidel Castro eine Glückwunschadresse zu seinem 85. Geburtstag übermittelt und darin seine " Verdienste " gerühmt haben. Können Sie mir erklären, worin diese Verdienste bestehen ? Dass er sein Volk in ein Hungertuch gewickelt hat ? Waren Sie schon einmal auf Kuba ? Ich zweimal im Abstand von 6 Jahren. Wissen Sie dass das durschnittliche Monatseinkommen eines Kubaner bei 20,-- Euro liegt ? Die Liste dieser sogenannten sozialistischen " Errungenschaften " ließe sich beliebig verlängern. Ihrer erhellenden Erklärung sehe ich gern entgegen.
Mit freundlicher Empehlung
U.Wartenberg
PS. Ach ja, da Sie ja eine aufmerksame Dame sind. Haben Sie Helmut Kohl eigentlich zu seinem 80. Geburtstag auch eine Glückwunschadresse gesandt ? Oder verträgt sich das nicht mit Ihrem sozialistischen Sebstverständnis ?
Sehr geehrter Herr Wartenberg,
unstrittig ist, dass Kuba seit langem unter großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten leidet.
Die Ursachen sind vielfältig. Zum einen gab und gibt es von der kubanischen Regierung selbst eingestandene Fehlentwicklungen, die zurzeit mit großen Anstrengungen zu korrigieren versucht werden. Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass seit 50 Jahren versucht wird, Kuba ein anderes Gesellschaftsmodell aufzuzwingen. Die Invasion in der Schweinebucht, die Handels-, Wirtschafts- und Finanzembargo der USA, der sogenannte Gemeinsame Standpunkt der EU - all diese Maßnahmen hatten und haben nur ein Ziel: den Systemwechsel in Kuba. Wir wollen, dass Kuba als gleichberechtigter Partner und mit Respekt vor der Souveränität des Landes und dem Nichteinmischungsgebot der UN-Charta behandelt wird.
Selbstverständlich lassen sich die Lebensumstände in Kuba nicht mit denen Deutschlands oder anderer Industriestaaten vergleichen. Kuba kann jedoch eine ganze Reihe von sozialen Entwicklungen - speziell im Bildungs- und Gesundheitswesen - vorweisen, die in der Dritten Welt alles andere als selbstverständlich sind und Kuba auch nicht als das Armenhaus Lateinamerikas dastehen lassen. Ist es nicht bemerkenswert, dass die Kindersterblichkeit auf Kuba niedriger ist als in den USA? Ist das nicht allein schon ein Grund für ein Glückwunschschreiben?
Kuba hat seit 1959 viele andere Ländern der Region und darüber hinaus in deren Bemühungen um soziale Veränderungen aktiv unterstützt. Zehntausende kubanische Lehrer haben Alphabetisierungskampagnen in zahlreichen Ländern begleitet, zehntausende kubanische Ärzte waren und sind in zahlreichen Ländern im Einsatz, vor allem, um der mittellosen Bevölkerung dort ein Mindestmaß an medizinischer Betreuung zukommen zu lassen.
Wir pflegen vielfältige Beziehungen nach Kuba, und seien Sie versichert, dass wir die Entwicklung Kubas durchaus auch kritisch begleiten. In den bilateralen Gesprächen mit den Vertretern des kubanischen Staates, der KP Kubas, der Nationalversammlung, aber auch vielen anderen Organisationen und natürlich mit Bürgerinnen und Bürgern haben wir unsere kubanischen Partner auf die nach unserer Meinung bestehenden Demokratiedefizite angesprochen und werden das auch in Zukunft tun. Aber eben im direkten Gespräch und nicht über die deutsche Presse.
Im Übrigen gab es in der "Berliner Zeitung" einen sehr interessanten Leserbrief zu dem Thema, den ich Ihnen nicht vorenthalten möchte:
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2011/0825/meinung/0064/index.html
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gesine Lötzsch