Frage an Gesine Lötzsch von Stefan H. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Dr. Lötzsch,
aus meiner Sicht sind die Zinsen und Zinseszinsen das Krebsgeschwür und die eigentliche Uhrsache des Niedergangs unseres Finanz-und Wirtschaftssystems. Sie führen u.a. erwiesenermaßen zu einer exponentiell wachsenden Geldmenge (der kein reales Witschaftswachtum auf Dauer folgen kann, d.h. Inflation) und einer permanenten Umverteilung von Arm zu Reich (welche Sie vermutlich gerne abstellen würden). Die immer schneller wachsenden Schuldenberge und die zunehmende Ultraverreichung einer kleinen Gruppe bei gleichzeitigem Wohlstandsverlust der breiten Masse sollten inzwischen jedem Leugner dieser Effekte die Augen öffnen. Man kann nun den völlig vorhersehbaren Ausgang dieses Experiments (Zusammenbruch des Währungssystems in einer sehr überschaubaren Anzahl von Jahren) abwarten um dann, oh Wunder, nach einer Währungsreform ein wiederum verzinstes Finanzsystem zu starten (unsere Enkel werden sich in spätestens 60 Jahren bedanken). Oder aber den Versuch unternehmen, noch vorher an eine wirkliche Problemlösung zu gehen. Entsprechende Konzepte (siehe z.B. http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/kennedy/ ) gibt es seit langer Zeit. Besonders wichtig wäre es hier, unser jetziges Zinssystem in ein umlaufgesichertes System zu überführen, welches Geldhortung durch negative Zinsen bestraft. Weiterhin sollte sich der Staat sein ureigenes Recht zur Geldschöpfung und Kontrolle über die Geldmenge von der (privaten!) Zentralbank zurückholen und den Geschäftsbanken das Recht versagen, Geld als Schuld (durch Kreditvergabe) aus dem Nichts zu schöpfen. Es ist nicht einzusehen, warum sich der Staat seine Währung gegen Zinsen leihen muss. Sie mögen jetzt einwenden, das ganze sei völlig utopisch und nicht im Ansatz durchsetzbar. Dennoch könnten Sie und Ihre Partei durch Information der breiten Öffentlichkeit schon heute den Boden dafür bereiten (wenn vielleicht auch erst nach dem Zusammenbruch). Wie stehen Sie dazu?
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Heise
Sehr geehrter Herr Heise,
die Finanzkrise ist eine Folge der Renditeanforderungen des angewachsenen Finanzkapitals. Eine der Folgen der Finanzkrise wiederum sind die hohen Zinsforderungen der Banken. Es gibt also gute Gründe, den Zins kritisch zu sehen. Dabei muss man bedenken: 1. Solange internationale Kapitalverkehrsfreiheit besteht, führt ein Negativzins oder auch die Abschaffung der Verzinsung zu erheblichen Kapitalabflüssen. 2. Der Zins ist in einer kapitalistischen Wirtschaft ein Allokationsinstrument. Er steuert, welche Projekte finanziert werden und welche nicht, nämlich solche, die nicht wenigstens den Zins erwirtschaften. Möchte man auf dieses Allokationsinstrument verzichten, so muss man über andere verfügen. Die Abschaffung des Zinses setzt also sowohl Kapitalverkehrskontrollen als auch eine politische Investitionssteuerung voraus.
Insofern wende ich nicht ein, dass Ihr Vorschlag utopisch ist, sondern benenne nur die politischen Rahmenbedingungen dafür. DIE LINKE wird in dieser Frage weiter diskutieren und zu gegebener Zeit ihre Vorschläge unterbreiten.
Mit freundlichen Grüßen
Gesine Lötzsch