Frage an Gesine Lötzsch von Stephan T. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Lötzsch,
ich habe direkt zwei Fragen an Sie:
1: Ihre Partei tritt für die Abschaffung von Hartz 4 ein. Wie sieht denn Ihrer Meinung nach eine Alternative aus? Zurück zur Sozialhilfe? Zulassen, dass sich der soziale Status in den Familien weiter vererbt, weil sich niemand so wirklich um die jugendlichen Hilfebedürftigen kümmert? Und was soll dann Ihrer Meinung nach mit den ca. 70.000 (?) Mitarbeitern der Argen und Optionskommunen passieren? Spielen diese Arbeitsplätze keine Rolle für Sie?
2: Mindestlohn 10,- €!
Würde bedeuten, dass sehr viele Branchen die Preise drastisch erhöhen müssten, folglich wäre wieder mal unmittelbar der Bürger betroffen, an den diese Preiserhöhungen natürlich unmittelbar weitergegeben werden. Frage: Wer soll das bezahlen?
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Thiel
Sehr geehrter Herr Thiel,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Zu Ihrer ersten:
In der Tat sind wir für die Abschaffung von Hartz IV und für die Einführung eines Grundeinkommens. Kurzfristig muss der Satz jedoch auf 500€ angehoben werden,um die Situation von Arbeitssuchenden und deren Familien zu verbessern.Gegenwärtig leben etwa 2,5 Mio Kinder in Armut. Das ist angesichts unseres gesellschaftlichen Reichtums ein politischer Skandal, den wir als LINKE beenden werden.
Die Mitarbeiter der Arbeitsagenturen werden nach unserem Konzept nicht arbeitslos. Natürlich kann keiner versprechen, dass jeder genau den Arbeitsplatz behält, den er jetzt hat, doch sicher ist, dass es in unserer Gesellschaft genug Arbeit für alle gibt.
Zu Ihrer zweiten Frage:
Die Abschaffung von Hartz IV steht für DIE LINKE im Zusammenhang mit der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes. Denn die Hartz-Gesetz haben dazu beigetragen, dass Löhne und Arbeitnehmerrechte zunehmend unter Druck geraten. In manchen Regionen Ostdeutschlands gibt es tariflich vereinbarte Löhne von 4 bis 5 Euro. Das belegt einerseits die gegenwärtige Schwäche der Gewerkschaften, menschenwürdige Löhne auszuhandeln und andererseits die Notwendigkeit, gesetzlich gegen Hungerlöhne vorzugehen.
Herr Thiel, ein gesetzlicher Mindestlohn, den wir in den nächsten vier
Jahren in der Tat auf 10 Euro anheben wollen, hätte zwei wesentliche
volkswirtschaftliche Effekte:
Zum einen würden viele, heute im Niedriglohnbereich beschäftigte Arbeitnehmer, einen weitaus höheren Lohn erhalten. Sie würden dort, wo sie heute sparen müssen, mehr Geld ausgeben. Der Restaurantbesuch bzw. ein Kurzurlaub wären wieder möglich, was die Binnenwirtschaft notwendigerweise ankurbelte.
Zum anderen müssten alle Unternehmen diesen Mindestlohn zahlen. Deshalb gäbe es keinen Wettbewerbsnachteil. Die Arbeitsmarktzahlen aus unseren Nachbarländern, in den ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt wurde, zeigen, dass es zu keinen Massenentlassungen gekommen ist.
Wir sind der Meinung, ein gesetzlicher Mindestlohn ist ein Gebot der Humanität. Wir wollen keine Ausbeutung! Von Arbeit muss man leben können!
Mit den besten Wünschen für Ihre Zukunft und in der Hoffnung, im nächsten Bundestag einen Mindestlohn durchsetzen zu können, verbleibt
Ihre Gesine Lötzsch