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Gesine Lötzsch
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Frage von Matthias G. •

Frage an Gesine Lötzsch von Matthias G. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Dr. Lötzsch,

ich will mich mit meinen Fragen kurz fassen:

- Es gibt den Straftatbestand der Steuerhinterziehung/Verkürzung; warum gibt es keinen Straftatbestand der Steuerverschwendung?
- Warum wird Herr Steinbrück nicht öffentlich, z.B. Bundestagdebatte, darauf hingewiesen, das Steuerflucht eine Ausdruck des ungerechtesten Steuersystems der Welt ist?
- Warum wird das imageschädigende Verhalten des Herrn Steinbrück gegenüber anderen Staaten nicht offiziell und deutlich verurteilt?
- Warum unterdrück und schikaniert der Staat seine Bürger mit einem Steuergesetz, welches keiner mehr versteht und man für die einfachste Steuererklärung einen kostenpflichtigen Fachmann benötigt?

Danke für Ihre Bemühungen
und mit besten Grüßen
Matthias Gellert

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Gellert,

vielen Dank für Ihre E-Mail.

Das stimmt, den Straftatbestand der Steuerverschwendung gibt es nicht. Es gibt jedoch auf politischer Ebene die Möglichkeit, Verantwortliche für einen Schaden zur Rechenschaft zu ziehen: Im Parlament geschähe das durch einen Untersuchungsausschuss und in den Medien durch investigative Berichterstattung. Im Idealfall - so sieht es jedenfalls das repräsentative Demokratieprinzip vor - kann der Bürger den verantwortlichen Mandatsträger durch die Abwahl seiner Partei ablösen. Im Falle von Minister Steinbrück kann der Bürger dieses Mittel am 27.09., zum Tag der Bundestagswahl, einsetzen. Ich denke auch, dass das Phänomen der Steuerflucht Ausdruck eines ungerechten Steuersystems ist - sogar in zweierlei Hinsicht. Denn Steuerflucht bedeutet doch zunächst unermesslichen privaten Reichtum: Hartz-IV-Empfänger, Obdachlose, Arbeitnehmer, Rentner, Studenten und die Mehrzahl der mittelständischen Unternehmer neigen gemeinhin nicht zur Steuerflucht. Dass das Steuersystem zulässt, dass es zum einen unermesslichen privaten Reichtum bei den Vermögenden in der Gesellschaft gibt, aber zum anderen relative Armut duldet, die den Betroffenen die gesellschaftliche Teilhabe verwehrt, ist die erste Ungerechtigkeit des Steuersystems.
Die zweite Ungerechtigkeit bezieht sich auf die Steuerflucht selbst. Denn ein Steuersystem, was nicht funktioniert und Vermögende nicht in der Weise zur Verantwortung zieht, wie es ja das Steuergesetz mit seinen Steuersätzen vorsieht, ist für alle anderen ein weiteres Mal ungerecht. Nämlich diejenigen, die nicht Steuerflucht betreiben können, müssen doch gegenwärtig den Schaden begleichen: z.B mit einer höheren Mehrwertsteuer. Die Kritik des Finanzministers an Staaten, die die steuerrechtlichen Grundlagen für Steuerflucht bieten, ist prinzipiell berechtigt. Sein Vorgehen, was sich wohl allein mit dem bevorstehenden Wahlkampf begründen lässt, ist ein Skandal.

Herr Gellert, wir haben doch gegenwärtig die Situation, dass Steuerflucht fast gar nicht mehr "nötig" wird. Seit der rot-grünen Bundesregierung wurde der Spitzensteuersatz der Einkommenssteuer von 52% auf 45% gesenkt, die Körperschaftssteuer für Unternehmen von 30% auf 15% reduziert, die Vermögenssteuer nicht wieder eingeführt und eine Erbschaftssteuer nicht auf EU-Maß angehoben. Zuletzt beklagen Sie vollkommen zu Recht die Komplexität des Steuersystems, die dazu führt, dass diejenigen profitieren, die sich eine entsprechende Expertise leisten können. Das wollen wir verändern - mit einfachen hohen Steuersätzen auf Kapitaleinkünfte, Vermögen und hohe Einkommen (ohne Steuerschlupflöcher) und einfachen niedrigen Steuersätzen auf niedrige Einkommen, Löhne und Konsum.

Mit den besten Wünschen für Ihre Zukunft und
mit freundlichen Grüßen verbleibt,

Ihre Gesine Lötzsch

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