Frage an Gerhard Schick von Beatrix U. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Schick,
Sie und einige Kolleginnen und Kollegen haben eine Anfrage an die Regierung gestellt bezüglich der Cross Border Leasing Verträge, die viele Kommunen zwischen 1995 und 2004 auf verschlungenen Wegen mit sogenannten US-Investoren abgeschlossen haben.
Mit Erschütterung habe ich die Antwort der Bundesregierung zur Kenntnis genommen, daß ihr „keine belastbaren Informationen darüber vorliegen, wie viele Kommunen in den einzelnen Bundesländern Cross-Border-Leasing-Verträge abgeschlossen haben und welche Infrastrukturvorhaben schwerpunktmäßig davon betroffen sind.“ Und weiter:
„Die Cross-Border-Leasing-Verträge der Kommunen sind nicht öffentlich. Der Bundesregierung sind keine Vertragsbestandteile bekannt, so dass keine Grundlagen für eine Beurteilung zur Verfügung stehen. Auskünfte über Risiken und Verpflichtungen, die sich aus den Vertragswerken ergeben, können lediglich die allein verantwortlichen kommunalen Entscheidungsträger geben.“
Mit anderen Worten, eine Bundesregierung, die durch bundesweite Wahlen zustande kommt, deren Wählerschaft in über 100 deutschen Städten von der de-fakto-Enteignung kommunaler Versorgungseinrichtungen betroffen ist, steckt den Kopf in den Sand und schiebt alle Verantwortung auf die örtlichen „Entscheidungsträger“ ab? Ist es nicht so, daß letztlich – sollte es zu einem großflächigen und kostspieligen Ausstieg aus den 2.000-Seiten-Verträgen kommen, was angesichts der sinkenden Ratingnoten etlicher Beteiligter zwingend zu erwarten ist – der ganze Staat in der finanziellen Haftung ist?
Wie sind Sie denn mit der Beantwortung zufrieden? Wurde von Ihnen nachgelegt, oder wurde diese Gleichgültigkeit schweigend hingenommen?
Vielleicht sollte mal jemand 600 Bücher von Werner Rügemer „Cross Border Leasing – ein Lehrstück zur globalen Enteignung der Städte“ kaufen und den Bundestagsabgeordneten zur Verfügung stellen. Da schlummert eine Zeitbombe, oder?
Mit freundlichen Grüßen
Beatrix Ullrich
Sehr geehrte Frau Ullrich,
ich kann ihre Empörung nur teilen.
Zwar sind Antworten der Bundesregierung auf Kleine Anfragen leider selten sonderlich aufschlussreich, die Auskunfts- und Verantwortungsverweigerung war in diesem Fall aber besonders drastisch. Formal hat das Finanzministerium natürlich Recht: Die betroffenen Kommunen haben beim Abschluss von CBL-Verträgen im Rahmen ihrer Finanzautonomie gehandelt und müssen daher ggf. auch die Konsequenzen tragen. Ich finde auch die Feststellung des Ministeriums richtig, dass von den Geschäften im Vornherein hätte Abstand genommen werden müssen. Dennoch ist dies kein Grund, sich nun einer gemeinsamen Lösungssuche von Kommunen, Ländern und dem Bund völlig zu verschließen, die dramatische Belastungen der Kommunen verhindern könnte. Dies fordern wir Grünen seit langem auch öffentlich (siehe bspw.: http://www.taz.de/1/zukunft/wirtschaft/artikel/1/100-deutsche-staedte-in-bedraengnis/). Mit Bürgschaften der KfW wäre es beispielsweise einigen Kommunen möglich, sich aus den CBL-Verträgen her auszukaufen, um der Gefahr eines Versicherungsausfalls vorzubeugen.
Zum Glück aber sind die Verträge bislang nicht reihenweise geplatzt, was sicher auch der nun wieder zunehmend stabileren Situation auf den Finanzmärkten zu verdanken ist. So sind die Transaktionen in vielen Fällen durch den US-Versicherungskonzern AIG abgesichert worden, der durch die Finanzkrise bedrohlich ins Wanken geraten war, aufgrund eines massiven Staatseingriffs heute aber nicht mehr von der Insolvenz bedroht ist. Dennoch bedeuten die CBL-Verträge nach wie vor eine potentielle Gefahr und dürfen aus meiner Sicht in Zukunft nicht mehr Teil kommunaler Finanzierungsgeschäfte sein. Hier müssen klare Konsequenzen gezogen werden. Dafür habe ich mich auch gemeinsam mit der grünen Gemeinderatsfraktion in meinem Wahlkreis, der Stadt Mannheim, eingesetzt. Eine ausführliche Grüne Kommentierung des Cross Border Leasings meiner Kollegin Britta Haßelmann finden Sie hier: http://britta-hasselmann.de/fileadmin/user_upload/gruene_btf_hasselmann/politik/2009/04-01_Infos_Cross-Border-Leasing.pdf
Was unsere Reaktion auf die schlechte Beantwortung der Fragen betrifft, so hat meine Fraktion zu dem Themenkomplex Rechte der Abgeordneten gegenüber der Regierung mehrere Klagen beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Unlängst wurde eine davon, die die Zurückhaltung von Akten in Untersuchungsausschüssen betrifft, in unserem Sinne entschieden, was jetzt im 2. Untersuchungsausschuss zur Hypo Real Estate hilfreich ist. Sie sehen: Wir wehren uns, damit künftig solche Anfragen besser beantwortet werden. In diesem konkreten Fall der Anfrage zu Cross Border Leasing hilft uns allerdings eine künftige Entscheidung des Verfassungsgerichts zu den Auskunftspflichten der Regierung leider noch nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Schick