Frage an Gerhard Schick von Günter H. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Schick,
Sie sind Mitglied im Ausschuss für Finanzen und Aktiv beim Verein Berliner Steuergespräche. Ich habe eben das hier abrufbare BMF-Schreiben gelesen:
Der normale Bürger versteht da wohl nur noch Mehrwertsteuer mit und ohne Senf. Warum deutsche Steuergesetze im Umfang und der Kompliziertheit berühmt und berüchtigt sind, versteht man nach dem Lesen solcher Texte.
Bei der Regelungsdichte und künstlichen Abgrenzungen verstehe ich nicht, warum zum Beispiel ein warmes Mittagessen der Mobilen Küche wie es zum Beispiel die Wirtschaftsdienste für Sozialeinrichtungen GmbH, Bonn im Wärmebehälter und Einmalgeschirr anbietet, mit 19 % MWSt. besteuert wird. Der ältere Mensch, der zum Beispiel noch in seiner Wohnung leben oder im betreuten Wohnen leben möchte ist darauf angewiesen. Wer unterwegs eine warme Currywurst isst, zahlt dagegen nur den ermässigten Steuersatz. Für wen sollen solche Regelungen noch nachvollziehbar sein?
Sind Sie nicht auch der Meinung, dass alle Lieferungen und Leistungen der Grundversorgung mit dem ermässigten Steuersatz belegt sein sollten. Dazu zähle ich zum Beispiel luxusfreie Nahrung, Kleidung, Haushaltsenergie für Kochen und Heizen etc., Krankenkosten ... . 7 % für Trüffel aber 19 % für Windeln und dass für Arznei 19% abkassiert wird steht einem Staat mit dem Prädikat sozial nicht gut an, es ist geradezu ein Widerspruch.
Halten Sie die obige Umsatzsteuerregelung für in Ordnung? Wenn nicht, werden Sie etwas dagegen tun (im Ausschuss für Finanzen)?
Mit freundlichem Gruß
Günter Heitel
Sehr geehrter Herr Heitel,
besten Dank für Ihre Nachricht. Sie haben Recht, das System der Mehrwertsteuersätze ist nicht zu durchschauen. Selbst das Bundesministerium der Finanzen gesteht das ein. Deswegen haben wir im Finanzausschuss des Bundestages immer wieder darauf gedrängt, eine Generalrevision des Mehrwertsteuersystems anzugehen. Die große Koalition hat aber daran kein Interesse, denn eine solche Überarbeitung birgt reichlich Konfliktpotenzial. Schwarz-Rot bastelt lieber eifrig weitere Ausnahmen ins ohnehin schon völlig unübersichtliche System ein: Am 1. Januar 2008 ist ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz für Berg- und Seilbahnen in Kraft getreten, Einnahmeausfälle 15 Mio. Euro. Es zeigt sich, dass die große Koalition (und hier v.a. die CSU) Lobbyinteressen nachkommt, die lediglich für mehr Gewinne bei den Seilbahnbetreibern sorgen, denn die Preise für Bergbahnfahrten sind laut Medienberichten nicht gesenkt worden.
Die Einführung eines reduzierten Satzes führt nicht zwingend zu einer Preissenkung. Tatsächlich erhöht sich aber im Regelfall v.a. die Gewinnspanne des Anbieters. Beispiel McDonalds: Verzehr im Lokal 19%, Verzehr außer Haus 7% - der Preis? Der gleiche! Nicht von ungefähr verlangt auch die Pharmaindustrie ermäßigte Mehrwertsteuersätze für Arzneimittel.
Selbst wenn die Preise für Arzneimittel sinken würden, wäre eine Reduzierung trotzdem ungerecht: Die Einnahmeausfälle müssten alle Bürgerinnen und Bürger bezahlen, sie würden laut Bundesministerium der Finanzen 3 Mrd. Euro im Jahr betragen. Von den reduzierten Preisen würden hingegen nur diejenigen profitieren, die nicht wegen geringer Einkommen von der Zuzahlung befreit sind. Bei chronisch Kranken ist die Zuzahlung zudem ohnehin auf 1% des Jahreseinkommens gedeckelt.
Wir als Bundestagsfraktion fordern, den Katalog der Ermäßigungen systematisch durchzugehen und sinnfreie Reduzierungen zu streichen. Sozialpolitik sollte man nicht über die Mehrwertsteuer machen, weil sie zu ungenau ist. Den wirklich Armen ist mehr geholfen, wenn der Hartz-IV-Regelsatz wie von uns und vielen Sozialverbänden gefordert, auf 420 Euro pro Monat angehoben wird.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Schick