Frage an Gerhard Schick von Volker B. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Schick,
die demnächst gültige neue Abgeltungssteuer sieht vor, dass 25% der Kapitalerträge pauschal abgeführt werden. Damit bekommen alle Steuerzahler mit einem Spitzensteuersatz von mehr als 25% eine z.T. erhebliche Ermäßigung ihrer Kapitalertragssteuer in der Höhe ihres persönlichen Spitzensteuersatzes minus 25%. Alle mit geringerem Spitzensteuersatz müssen automatisch mehr Steuern zahlen, wenn sie nicht in ihrer Steuererklärung ihre Kapitalerträge explizit erklären.
Rechnet sich diese beabsichtigte Verschiebung der Steuerbelastung von oben nach unten zumindest für den Staat, berücksichtigt man den zusätzlichen Verwaltungsaufwand? Welchen Saldo zieht unser Staat aus dieser Reform? Positiv? Negativ?
Glaubt man Äußerungen verschiedener Finanzleute in den Medien, führt die Abgeltungssteuer bereits heute zu einer verstärkten Kapital-"Flucht". Das Gegenteil der offensichtlichen Absicht der Abgeltungssteuer tritt demnach ein.
Bereits Hans Eichel ist damals mit seiner Amnestie für Kapital-"Flüchtlinge" gescheitert. Der Abgeltungssteuer steht womöglich dasselbe bevor.
Wann wird die Steuerfahndung verstärkt, die doch ein ganz ausgezeichnetes Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen kann? Und warum ist das bisher nicht schon lange geschehen? Warum setzt sich die Politik über die Empfehlungen des Bundesrechnungshofes hinweg?
Für Ihre Antwort herzlichen Dank
Volker Borm
Sehr geehrter Herr Borm,
vielen Dank für Ihre Frage zur Abgeltungssteuer und zur Steuerfahndung.
Die Abgeltungssteuer wird vorausichtlich für Mindereinnahmen von rund 1,7 Milliarden Euro pro Jahr sorgen. Gutverdiener mit einem persönlichen Einkommensteuersatz von 42% müssen dann nur noch 25% auf ihre Kapitaleinkünfte zahlen - sie kommen also deutlich günstiger als bisher davon. Ich lehne die Abgeltungssteuer ab, denn sie ist unsozial - sie entlastet nur diejenigen mit hohen (Kapital-)Einkommen. Stattdessen wollen wir die unteren EinkommensbezieherInnen stärker entlasten, in dem die Sozialabgaben in diesem Bereich gesenkt werden. Im grünen Grundsatzprogramm findet sich dazu folgender Absatz:
"Die Einkommensteuer auf Erwerbs- und Kapitaleinkünfte und die vermögensbezogenen Steuern wie z.B. die Erbschaftssteuer sind die Gerechtigkeitssteuern, denn sie bemessen den Beitrag zum Gemeinwesen an der individuellen Leistungsfähigkeit jeder und jedes Einzelnen. Wir wollen eine gleichmäßige Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, die nicht nach Einkunftsarten oder -quelle unterscheidet."
Ein Argument für die Abgeltungssteuer ist, dass sie das nur schwer zu besteuernde Kapital für die Besteuerung greifbar machen soll. Berichte über eine höhere Kapitalflucht, seit die Einführung der Abgeltungssteuer zum 01.01.2009 beschlossen ist, widerlegen dieses Versprechen der Bundesregierung. Ein zweiter Punkt: Die Vereinfachung des Steuersystems. Die vielen Ausnahmen und die nicht stringente Durchsetzung der Abgeltungssteuer widerlegen aber auch diesen Punkt. Deutschland bekommt für die 1,7 Milliarden Euro Mindereinnahmen weder eine Vereinfachung des Steuersystems noch wird Kapitalflucht so verhindert.
Zur Steuerverwaltung: Jeder zusätzliche Steuerfahnder bringt bis zu einer Million Euro pro Jahr -- viel mehr als er kostet. Deswegen drängen die Grünen Landtagsfraktionen auf Aufstockung bei der Steuerprüfung, in NRW haben wir z.B. 350 zusätzliche Posten gefordert. Die schwarz-gelbe Landesregierung hat das abgelehnt. Die Ministerpräsidenten betreiben lieber mit lascher Steuerprüfung Standortpolitik. Sie machen Betrieben und Privaten Steuerhinterziehung leicht, für Schulessen oder mehr Kinderbetreuung ist dann kein Geld da.
Wir Grünen fordern seit der Bundesdelegiertenkonferenz 2004 eine Bundessteuerverwaltung. Die würde sich lohnen: Schätzungen gehen von Mehreinnahmen in Höhe von elf Milliarden Euro aus, weil Reibungsverluste zwischen den Ländern und laxe Prüfungen zur Standortpflege überwunden würden. Die Ministerpräsidenten lehnen das seit Jahren ab. Statt sinnvollerweise Kompetenzen abzugeben, beharren sie in bester Landesfürstenmanier auf dem Status quo.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Schick