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Gerhard Schick
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Tobias A. •

Frage an Gerhard Schick von Tobias A. bezüglich Wirtschaft

Hallo Herr Dr. Schick,

Warum zahlen die großen Konzerne trotz der Grünen Regierungsbeteiligung immer noch wenig bis gar keine Steuern in Deutschland, warum wurde in Richtung Steuergerechtigkeit nichts unternommen?

Was für Rezepte haben Sie, um die Arbeitslosigkeit in Zukunft zu bekämpfen und dabei sozialverträglich zu bleiben?

Warum haben die Grünen die Gesundheitsreform mit getragen, wo doch für jeden offensichtlich ist, dass diese im Wesentlichen durch die Lobbyisten der Pharmaindustrie und der Mediziner modelliert wurde (ein Beispiel: die Preise für nicht verschreibungspflichtige Medikamente hat sich seit der so genannten „Reform“ verdoppelt. Apotheker verdienen so viel wie nie!)

Und warum ist Fischer nachdem er eine „Freihandelszone“ für Zuhälter eingerichtet hat (Stichwort Visa Affäre), nicht von den Grünen zum Rücktritt gezwungen worden?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Abelmann,

vielen Dank für Ihre Fragen.
Als erstes fragen Sie nach Steuergerechtigkeit und den Steuerzahlungen für große Konzerne. In der Tat, da gibt es noch viel zu tun (wenn Sie Lust haben, dazu Details zu lesen: http://www.gerhardschick.net/pl/59470.vorschlaege_zur_eindaemmung_von_st
euerfl.pdf)
Es ist aber falsch zu sagen, da sei nichts passiert. Ich will zwei Beispiele nennen:
Das erste Beispiel ist die Mindestbesteuerung im Rahmen der Körperschaftsteuer, die von den Unternehmensverbänden heftig bekämpft wurde und die die CDU im Falle eines Wahlsieges wohl zurücknehmen würde. Sie sorgt dafür, dass solche Verlustverrechnungen wie im Fall von Vodafone, die zu Steuerausfällen in Deutschland in Milliardenhöhe führen, in Zukunft nicht mehr möglich sind.
Das zweite Beispiel ist die europäische Zinsrichtlinie für die sich die rot-grüne Bundesregierung eingesetzt hat. Sie ist ein erster Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit, weil sie dazu führt, dass zwischen den meisten europäischen Staaten systematisch Kontrollmitteilungen verschickt werden und so Steuerhinterziehung bei ausländischen Zinserträgen erschwert wird. Wegen der Ausnahmeregelung für die Schweiz, Österreich, Luxemburg, Belgien ist das zwar noch nicht optimal, aber eine deutliche Verbesserung.

Ihre zweite Frage ist: wie kann man mehr Arbeitsplätze schaffen? Eine zentrale Idee im grünen Wahlprogramm besteht darin, die Lohnnebenkosten gezielt für geringe Einkommen zu senken. Denn bei Geringqualifizierten ist die Arbeitslosigkeit am höchsten. Arbeitsplätze in diesem Bereich lohnen sich wegen der hohen Lohnnebenkosten häufig in Deutschland nicht, das zeigt der Vergleich mit anderen Staaten. Deswegen ist es sinnvoll, da gezielt zu fördern. Die Niedriglohnstrategie der Union und der FDP lehnen wir Grüne ab, weil sie zu Armutslöhnen führen würde. Wenn Sie mehr zu meinen Überlegungen für mehr Arbeitsplätze lesen wollen:
http://www.gruen-ist-schick.de/dl/WoKommenJobsHer.pdf

Ihre dritte Frage betrifft die grüne Zustimmung zur Gesundheitsreform. Sie haben recht, dass dieser Kompromiss, der im wesentlichen von Herrn Seehofer und Frau Schmidt ausgehandelt wurde, nicht optimal war und manche Lobby geschont hat. Es gab aber eine Reihe von Gründen, dieser großen Koalition nicht das Feld zu überlassen, u.a. haben wir den Präventionsgedanken und die Qualitätssicherung gestärkt und mit dem Patientenbeauftragen den PatientInnen eine Stimme im Gesundheitssystem gegeben. Das entspricht de grünen Vorstellungen zur Gesundheitspolitik. Weiter am Ball bleiben werden wir für eine Verbesserung der Strukturen und beim Kampf gegen die Lobbies der Pharma-Konzerne und der Apotheker und gegen die Kassenärztlichen Vereinigungen, die von Union und FDP leider bei der letzten Reform geschützt wurden.

Ihre vierte Frage finde ich in Ihrer Formulierung ärgerlich: Es ging nicht um freie Fahrt für Zuhälter (das ist Polemik), sondern es ging darum, durch klare Bestimmungen die Visumsvergabe an allen deutschen Botschaften neu zu regeln, z.B. die Abstimmung mit den Ausländerbehörden, und stärker auf den Reisezweck abzustellen bei der Prüfung der Visa-Vergabe. Dass Joschka Fischer hätte zurücktreten sollen, finde ich nicht. Die Probleme an der Botschaft in Kiew wurden gelöst. Kein Mensch ist fehlerfrei. Und insgesamt hat Joschka Fischer eine gute Außenpolitik gemacht, was ja auch die große Zustimmung in der Bevölkerung zeigt.

Viele Grüße
Gerhard Schick