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Gerhard Schick
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Frage von Roland F. •

Frage an Gerhard Schick von Roland F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Schick,

folgendes entnehme ich diversen Veröffentlichungen und der Bundestagsdrucksache: 16/158 vom 9.12.05 "Fragen an die Bundesregierung" durch verschiedene Abgeordnete:

"Das deutsch-türkische Abkommen über soziale Sicherheit bestimmt, dass aufgrund einer bei einer deutschen Krankenkasse bestehenden Versicherung auch die in der Türkei wohnenden Familienangehörigen der Versicherten Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft erhalten können. Dabei richtet sich der Kreis der anspruchsberechtigten Angehörigen nach türkischen Rechtsvorschriften. Hierzu gehören auch die Eltern des unterhaltsverpflichteten Versicherten".

Da meine Eltern nicht wie die Eltern der Türken mitversichert sind, fühle ich mich als Deutscher diskriminiert. Ich bitte Sie, da Sie diesem Gesetz zugestimmt haben, um ein Feedback.

Es kann nicht sein, dass keine Gleichstellung deutscher Arbeitnehmer besteht,

Hochachtungsvoll
Roland Fath

siehe auch:
Homepage: http://dip.bundestag.de/btd/16/001/1600158.pdf

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Fath,

Sie sprechen die Frage der Familienversicherung hier lebender türkischer Staatsangehöriger an. Leider wird die Diskussion dazu in der Öffentlichkeit häufig mit unsachlichen Argumenten geführt, deshalb danke Ich Ihnen, dass Sie mir die Möglichkeit geben, dazu Stellung zu beziehen.

Grundsätzlich gibt es zwischen fast allen Staaten Verträge, die die Krankenversicherung regeln (sog. Sozialversicherungsabkommen). Auch zwischen Deutschland und der Türkei gibt es so einen Vertrag, der regelt, dass die Krankenversicherung eines Patienten auch im jeweils anderen Land die Behandlungskosten übernimmt. Damit erreicht man zum Beispiel, dass Touristen sich nicht für jeden Urlaub im Ausland versichern müssen, in diesem Fall erstattet die eigene Krankenversicherung die Kosten der Behandlung auch im Ausland.

Türkische Staatsangehörige, die in Deutschland arbeiten, zahlen automatisch auch in eine deutsche Krankenversicherung ein, deshalb haben sie auch Anspruch auf eine Übernahme von Behandlungskosten für sich und ihre Familien. Wer zur Familie gehört, ist allerdings vertraglich streng geregelt: die Ehefrau und die minderjährigen Kinder. Ausnahmen für die Eltern gibt es nur in den Verträgen mit der Türkei und einigen Ländern des ehemaligen Jugoslawien. Wenn der in Deutschland versicherte Arbeitnehmer unterhaltspflichtig ist, ist auch seine Krankenkasse für die Versorgung zuständig. Das heißt aber, dass im Heimatland keine unterhaltspflichtigen anderen Angehörigen existieren dürfen (hat ein Angestellter türkischer Nationalität noch einen Bruder in der Türkei, ist dieser in der Regel für die Versorgung der Eltern verantwortlich) Daraus ergibt sich, dass die Eltern nur in Ausnahmefällen in die Versicherung mit einbezogen werden. Die Mehrfachehe wurde in der Türkei vor fast 80 Jahren abgeschafft, deshalb gibt es auch keine mitversicherten Zweitfrauen (was in der Presse gerne behauptet wird) In keinem Fall gehören Geschwister oder entferntere Angehörige zu den Berechtigten!

Wie erfolgt die Erstattung der Kosten?

Was in der Türkei lebende Familienangehörige angeht, wird nicht für jeden Krankheitsfall getrennt abgerechnet. Die deutsche Krankenversicherung erspart sich viel Geld und Bürokratie, indem sie für jede Familie einen Festbetrag überweist (tatsächlich kostet sie eine türkische Großfamilie mit vielen Kindern genauso viel wie eine Kleinfamilie mit nur vier Personen). Die Höhe dieses Betrages richtet sich nach den tatsächlichen Kosten im behandelnden Land. (1999 z.B. monatlich €17,75 für eine ganze türkische Familie, ein deutsches Mitglied einer Krankenkasse kostet im Gegensatz dazu etwa 200 Euro pro Monat). Die Behandlung der Familienangehörigen erfolgt nach dem im Heimatland geltenden Standard.

Beim Abschluss des Vertrages hatte man (unter Anderem) zwei Gesichtspunkte im Auge: zum einen wollte man den türkischen Staatsangehörigen ermöglichen, in Deutschland dringend notwendige Arbeit zu leisten mit der Sicherheit, einen Krankenversicherungsschutz zu haben; zum anderen erreichte man, das Angehörige auch kostengünstig im Ausland behandelt werden konnten, der Anreiz zum Nachzug nach Deutschland wurde dadurch deutlich gemildert.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen erklären, wieso die geltende Regelung notwendig ist.
Mit freundlichen Grüßen

Gerhard Schick