Frage an Gerhard Schick von Herbert K. bezüglich Verkehr
Hallo Herr Dr. Schick,
warum will man in einem "Eilverfahren" die größte Grundgesetzänderung seit über 10 Jahren binnen 48 Stunden "durchpeitschen"?
Sind Sie nicht auch der Meinung, dass hier vollendete Tatsachen vor einer ausführlichen Diskussion in den anstehenden Parteitagen geschaffen werden soll?
Wie wollen Sie Schattenhaushalte zur Umgehung der Verschuldungssgrenzen ausschließen?
Wie beurteilen Sie die Formulierung der neuen Artikel. Ist dadurch eine Privatisierung von Autobahn- und Bundesfernstraßenabschnitten wirklich ausgeschlossen?
Kann man darauf vertrauen, dass die Privatisierung nicht zur Finanzierung zu überhöhten Kosten zu Gunsten von Banken + Versicherungen usw. zu Lasten des Steuerzahlers führt?
Glauben Sie wirklich, dass die Mehrheit der Bürger*innen eine Privatisierung von Bundesfernstraßen, KiTas und Scnhulen möchte? Wird hier nicht die Demokratie parteipolitischem Taktieren geopfert?
Führt die Privatisierung nicht zu einer Umverteilung von unten nach oben?
Sehr geehrter Herr Köhler,
vielen Dank für Ihre Fragen, die ich gerne wie folgt beantworte.
Bei aller fachlichen Kritik an der Bundesregierung, kann ich Ihre Auffassung hinsichtlich des Zeitplanes nicht teilen. Die Entwürfe zur Änderung des Grundgesetzes sind im November 2016 in den Deutschen Bundestag eingebracht worden und nach ausführlichen Ausschussberatungen am 01.06.2017 beschlossen worden.
Der Inhalt der Änderungen, und ich denke, dass Sie hierauf anspielen, bietet hingegen reichlich Stoff zum Ärgern. So lässt die Grundgesetzänderung der Großen Koalition zur Gründung einer Autobahngesellschaft die Hintertüren für die zukünftige Privatisierung der Autobahnen offen.
Wir Grüne haben daher erhebliche Kritik an den Änderungen der Großen Koalition.
1. Die Autobahngesellschaft kann zügig und ohne große Probleme mit einfacher Mehrheit in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden. Bei der Deutschen Bahn AG sehen wir täglich, wohin das führt. Das Parlament hat nichts mehr zu sagen, es herrscht Intransparenz und die Rendite und Kapitalmarktorientierung stehen im Vordergrund.
2. Die ÖPP-Einzelprojekte, die weiterhin im erheblichen Umfang möglich sind und weder im Grundgesetz noch im Begleitgesetz ausgeschlossen werden. ÖPP-Projekte im Straßenbau bedeuten einen erheblichen Verlust parlamentarischer Entscheidungs- und Kontrollmöglichkeit und sind im Straßenbau im Durchschnitt 20 Prozent teurer. Das ist ein Minusgeschäft für die Bürgerinnen und Bürger.
3. Die private Finanzierung von Versicherungen und Banken wird über teure Kredite und Genussscheine nur einfachgesetzlich ausgeschlossen und nicht dauerhaft im Grundgesetz.
Wir Grüne fordern stattdessen, im Grundgesetz festzuschreiben, dass die Verwaltung der Bundesautobahnen nur in Form einer Anstalt des öffentlichen Rechts oder als Gesellschaft privaten Rechts, bei der ein unbeschränkter Einfluss des Bundes auf die Aufgabenerfüllung sichergestellt ist, erfolgen kann. Sie muss im unveräußerlichen Eigentum des Bundes stehen, wobei eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Privater ausgeschlossen sein muss. Auch die Einbeziehung Privater in die Aufgabenwahrnehmung wollen wir als unzulässig festschreiben. Die Bildung eine Aktiengesellschaft sowie Kapitalprivatisierungen und stille Beteiligungen lehnen wir kategorisch ab. Auch eine Finanzierung durch Private, etwa in Form von Genussscheinen, wollen wir ausschließen.
Deswegen haben wir Grüne die Grundgesetzänderung für eine Autobahngesellschaft bei der Abstimmung am 01.06.2017 abgelehnt und einen umfassenden Grundgesetzantrag in den Bundestag eingebracht, um diese Privatisierungshintertüren dauerhaft und rechtssicher im Grundgesetz zu schließen. Denn für eine effiziente und ökologische Verkehrspolitik brauchen wir die demokratische Kontrolle über unsere Infrastruktur, keine private Renditejagd. Die öffentlichen Straßen dürfen wir nicht Banken, Versicherungen und Baukonzernen überlassen. Unseren Antrag hierzu finden Sie hier bzw. unter der Drucksachennummer 18/12598.
Auf Ihre Frage zu den Schattenhaushalten und zur Verschuldungsgrenze lässt sich sagen, dass die Autobahngesellschaft - so wie sie konzipiert ist - nicht in der Lage ist, die Maastricht Verträge zu umgehen. Sie wird dem Staatssektor zugerechnet, weswegen die deutsche Schuldenbremse aktuell nicht umgangen kann. Das heißt, die Gesellschaft darf keine Kredite am Markt aufnehmen. Sollte sie kreditfähig werden, dann werden ihre Kredite nicht in die deutsche Schuldenbremse einberechnet.
Das Problem ist, dass eine neue Koalition das mit einfacher Mehrheit ändern könnte.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gerhard Schick