Frage an Gerhard Schick von Bernhard R. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Schick,
als Bürger aus Ihrem Wahlkreis lässt mich das Thema TTIP nicht los. Ein solch weitreichendes Abkommen müsste meiner Meinung nach in der Bevölkerung breit diskutiert werden. Stattdessen werden wir Bürger (und offenbar auch die Abgeordneten selbst) häppchenweise mit halbgaren Informationen abgespeist. Meine Frage: Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass die NSA die Telefonate von Regierungsmitgliedern (u.a. von Außenminister Steinmeier) über Jahre hinaus abgehört hat und dass dabei für die Amerikaner insbesondere Wirtschafts- und Handelsfragen von Interesse waren und sind.. Andererseits muss Bundestagspräsident Lammert gegenüber der US-Botschaft geradezu darum betteln, dass deutsche Bundestagsabgeordnete sich über den Stand der TTIP-Verhandlungen aus erster Hand informieren können. Was ist – diese beiden Sachverhalte im Blick - Ihre Einschätzung des „Partnership“-Verständnises der USA? Und welche Konsequenzen wollen Sie aus Ihrer Einschätzung – etwa auch in der Beurteilung von TTIP – daraus ziehen?
Bernhard Reinbold, Mannheim
Sehr geehrter Herr Reinbold,
bitte entschuldigen Sie die verspätete Antwort.
Sie sprechen in Ihrem Schreiben ein wichtiges Thema an. Ich stimme Ihnen zu, dass die Intransparenz bei den Verhandlungen zu einem so weitreichenden Abkommen wie TTIP unfassbar ist. Wir haben uns als Grüne Bundestagsfraktion schon seit Beginn der Verhandlungen für eine größere Transparenz eingesetzt. Erst nachdem Bundestagspräsident Lammert vehement eine stärkere Beteiligung des Bundestages gefordert hatte, wurde nun ein TTIP-Leseraum im Wirtschaftsministerium eingeführt. Ich halte diese Regelung aber für eine Farce. Denn nach wie vor können nur Abgeordnete die Dokumente lesen. Weder dürfen wir öffentlich darüber sprechen, noch können wir uns mit Experten zu diesem Thema beraten. Bedenkt man die weitreichenden Folgen dieses Abkommens und seine Komplexität, ist dies absolut unzureichend.
In Bezug auf einen partnerschaftlichen Umgang in den Verhandlungen zu TTIP möchte ich darauf hinweisen, dass die mangelnde Transparenz nicht nur einseitig gewünscht ist und war. In den laufenden Verhandlungen können und sollten sich EU-Kommission und die Bundesregierung dafür einsetzen, die Verhandlungen für eine größere Öffentlichkeit zu öffnen. Daran scheint aber kein Interesse zu bestehen. Ich führe dies auch darauf zurück, dass der Einfluss großer Konzerne, sowohl aus der EU als auch der USA, nicht durch eine Öffnung für weitere Interessensgruppen geschmälert werden soll. So werden öffentliche Interessen wie Demokratie, Umwelt- und Verbraucherschutz auf Kosten von Konzerninteressen gefährdet.
Allein wegen der massiven Intransparenz ist das Handelsabkommen TTIP für uns Grüne nicht zustimmbar. Darüberhinaus sprechen noch eine Reihe von inhaltlichen Gründen gegen die Zustimmung. Ich möchte hierzu auch auf einen Text von mir verweisen: http://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr/2014/7/investitionsschutzabkommen-mehr-rechtssicherheit-oder-verzicht-auf-souveraenitaet/#res4
Sie Fragen nach meiner Einschätzung in Sachen Spionage. Ich bin der Meinung, dass der Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation und der Privatsphäre ein hohes Grundrecht ist. Die Kanzlerin hatte immer betont, dass es ein Ausspähen unter Freunden nicht geben kann. Angela Merkel hatte dazu ein "No Spy" Abkommen angekündigt. Seitdem ist aber nichts passiert und die gegenseitige Überwachung geht weiter: Sowohl von Seiten der NSA, aber auch leider von Seiten des BND. Wir Grüne wollen dieser massenhaften Überwachung ein Ende setzen und fordern schon seit geraumer Zeit Aufklärung. Meine Vorstellung einer partnerschaftlichen Beziehung ist eine andere, von Vertrauen geprägte.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen beantworten.
Beste Grüße
Gerhard Schick