Frage an Gerhard Schick von Ann-Monika G. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Schick,
ich beobachte schon seit einigen Jahren, die Machenschaften großer Global-Player.
So fiel mit der Wikipedia-Einträg über BlackRock auf.
Den Link dazu möchte ich Ihnen mitsenden:
http://de.wikipedia.org/wiki/BlackRock
Am vergangenen Montag kam in der ARD dazu die Reportage " Wer regiert die Welt". Wie Sie anhand dieses Berichts sehen, sind besonders die kleinen Leute die Leidtragenden:
Wie Sie also sehen, hat der Großkonzern direkte Auswirkungen z.B. auf das Leben der Menschen die in Deutschland in Wohnungen leben, die der Investor kaufte, aber seither nicht mehr renovierte usw.
Im Besonderen sind aus meiner Sicht auch die Arbeitnehmer die Leidtragenden.
Was will Ihre Partei gegen diese Finanzhaie tun, die offensichtlich einen sehr brutalen Kapitalismus als Geschäftsmodell pflegen?
Wenn ich Herrn Prof. Otte richtig verstand warnte er in dieser ARD-Reportage davor, dass das ganze System zusammenbrechen könnte, wenn dem ungezügelten Kapitalismus keine Grenzen gesetzt werden. Teilen Sie diese Meinung? Muss nicht der Staat eingreifen, damit nicht die kleinen Unternehmen, die Staaten und die kleinen Leute die Geschädigten sein werden?
Man kann m.E. mit viel Geld immer noch mehr Geld machen, ohne dass die Moral eine Rolle spielt. Dagegen kann man in vielen Berufen noch so fleißig sein, und man kommt auf keinen grünen Zweig.
Wie wollen Sie das ändern?
Viele Grüße
Ann-Monika Gruber
Sehr geehrte Frau Gruber,
in der Tat ist etwas aus den Fugen geraten. Die Finanzindustrie ist nicht mehr Diener der Realwirtschaft, sondern das Verhältnis hat sich geradezu umgedreht. In den USA beispielsweise hatte es der Finanzsektor Anfang des Jahrtausends geschafft, 40 Prozent aller Gewinne zu erhalten. Diese Proportionen sind umso erstaunlicher, als die Finanzindustrie nur 20 Prozent zur Bruttowertschöpfung des Landes beiträgt. Man kann also vereinfachend sagen: Die Profite sind doppelt so hoch, wie sie sein sollten! Und nach Schätzungen, die Finanzwissenschaftler Thomas Philippon im April 2009 dokumentiert hat, verdiente ein US-Banker im Schnitt 1980 nicht nennenswert mehr als andere Leute in der Wirtschaft. Um 2005 waren es plötzlich 70 Prozent mehr. Im Schnitt. Genau so war es übrigens 1929 vor der Weltwirtschaftskrise.
Auch die gestern vom DIW veröffentlichen Zahlen ( https://www.diw.de/sixcms/detail.php?id=diw_01.c.438656.de ) zur ungleichen Vermögensverteilung haben etwas mit den Finanzmärkten zu tun. Denn die Schulden der einen sind die Vermögen der anderen. Kennen Sie bereits meine Erklärvideos zur Finanzkrise ( http://gerhardschick.net/index.php/videos )? Dort greife ich dieses Phänomen auf.
Nun haben Sie nach Lösungen gefragt, davon skizziere ich einige in meinem neuen Buch "Machtwirtschaft - nein danke!" ( http://www.campus.de/buecher/wirtschaft-gesellschaft/politik/machtwirtschaft_nein_danke-8151.html ). Wichtig sind zunächst antizyklische Maßnahmen, die dann bremsen, wenn Finanzmärkte stark wachsen, und dann die Leine lockerer lassen, wenn sie das nicht tun. Entscheidend aber ist, wie groß, wie vernetzt und wie schnell diese Märkte sind. Ausschlaggebend ist die Reduzierung des Schuldenhebels in der Bankenbranche, denn mit fremden Geld spekuliert sich´s leicht. Deswegen verlangen wir Grüne als einzige Partei eine einfache aber harte Schuldenbremse für Banken. Außerdem gilt es, Komplexität zu reduzieren. Komplexe Systeme sind nicht zu kontrollieren und fördern Ausweichreaktionen, die die Welt noch komplexer machen. Wir brauchen auch Schneisen durch die Finanzmärkte. Wenn alles mit allem zusammenhängt, kommt am Ende nicht ein funktionierender Markt heraus, sondern ein nicht mehr beherrschbarer Megamarkt. Begrenzen wir deshalb die Möglichkeiten, alles und jeden zu bepreisen und dann damit zu handeln! Das heißt konkret: Rohstoffspekulation eindämmen, Wechselkurse stabilisieren, Immobilienspekulation begrenzen. Und schließlich brauchen wir klare Tempolimits an den Finanzmärkten, insb. beim Hochfrequenzhandel.
Aber eins muss uns klar sein: Die globalen Unternehmen, die uns längst über den Kopf gewachsen sind, sind nur möglich aufgrund staatlicher Regeln. Das Gleiche gilt für die Märkte. Es ist eben keine Naturgewalt, die uns mit den heutigen Finanzmärkten beglückt hat. Moderne Märkte sind Rechtsordnungen, sonst funktionieren sie gar nicht. Nichts logischer also, als dass wir diese Regeln korrigieren, wenn inzwischen diese Finanzmärkte zu einer Macht geworden sind, die unsere Gesellschaft lenkt, statt ihr zu dienen. Vor allem aber: Wenn finanzielle Interessen die staatliche Politik steuern und eine Symbiose zwischen Unternehmen und Staat entsteht, ist es wenig verwunderlich, wenn die Regeln auf den Märkten nicht so gesetzt werden, dass die Gemeinwohlinteressen durchkommen, sondern einige wenige Anbieter ihre Gewinne über politischen Einfluss sichern können. Deshalb brauchen wir auch eine Erneuerung des Staates und unserer Demokratie. Dafür streite ich.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Schick