Frage an Gerhard Schick von Jens N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Schick,
immer mehr Menschen sind insgesamt enttäuscht über die politische Lage. Wir können als Bürger zwar wählen, müssen aber feststellen, dass vieles nicht im Sinne der Bürger entschieden wird. Es besteht keine rechte Einflussmöglichkeit.
Wenn ich als Arzt Menschen helfe, indem ich Krankengymnastik verschreibe und Patienten sorgfältig medikamentös behandle, dann stehe beständig unter der Androhung eines Regresses und muss mich rechtfertigen und beweisen, dass ich nicht unwirtschaftlich gehandelt habe. Leider habe ich schon Strafen (Regresse) zahlen müssen, dafür dass ich Patienten geholfen habe.
Wenn gleiches Recht für alle gilt, dann sollten transparent und gewissenhaft handelnde Politiker sich nicht davor scheuen, ebenfalls Rechenschaft abzulegen, für das was sie tun und entscheiden. Darüber hinaus sollten faire Politiker auch bereit sein, persönlich für ihr Handeln zu haften wie wir Ärzte. Wir Ärzte stehen unter ständigem Zeitdruck und schnellem Handlungszwang und doch werden wir zunehmend in die Haftung genommen für unseren Dienst am Menschen. Immer häufiger müssen wir uns für unser Tun rechtfertigen, denn die Kontrollzugriffe vor allem durch Krankenkassen nehmen zu.
Krankenkassen erhalten mehr Rechte, aktuell wurden die Patientenrechte gestärkt. Wer fragt nach den Rechten für Ärzte? Wer will unter diesen Bedingungen noch Hausarzt werden?
Nun möchte ich Sie fragen: was spricht dagegen, gleiches Recht für alle zu schaffen?
Meiner Meinung nach benötigt es über die Wahlen hinaus dringend eine unabhängige Kommission, welche die Glaubwürdigkeit und Arbeitsqualität der Politiker überprüft. Ein guter und gewissenhafter Politiker braucht sich davor nicht zu scheuen, im Gegenteil er wird glaubhafter, wenn er sich einer Qualitätsprüfung stellt. In der Schule läuft es nicht ohne Lehrer, in der Arbeit nicht ohne Chef, gegenüber dem eine Rechenschaftspflicht steht. Welchen Chef haben die Politiker?
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Neidert
Sehr geehrter Herr Neidert,
die Frage, wer der Chef von Bundestagsabgeordneten ist, lässt sich schnell beantworten: Es sind die Wählerinnen und Wähler. Sie können uns abwählen und uns kontrollieren. Sie müssen den Qualitätscheck vornehmen. Ich denke nicht, dass man das an eine unabhängige Kommission delegieren kann. Denn erstens stellt sich die Frage nach objektiven Qualitätsstandards: Politik ist ein Prozess der Austarierung von Interessen und Positionen, der oft Kompromisse erfordert. Wie also sollten Kriterien festgelegt werden? Zweitens stellt sich ein Legitimationsproblem: Wer würde wiederum diese Kommission auswählen und kontrollieren? Auch deren Mitglieder hätten eigene Interessen und politische Haltungen, wären aber keiner demokratischen Kontrolle ausgesetzt.
Auch wenn es nicht trivial ist, meine ich, dass Sie als Bürgerinnen und Bürger sich der Aufgabe der Kontolle von uns Abgeordneten nicht entziehen sollten und können. Sie müssen sich die Mühe machen, sich zu informieren und zur Wahl zu gehen oder auf andere Weise sich politisch einzumischen. Meines Erachtens gibt es allerdings Voraussetzungen dafür, dass Sie diese Qualitätskontrolle vornehmen können: Wir müssen unsere Arbeit transparent machen. Ich versuche deshalb, so gut wie möglich meine Arbeit für meine "Chefs", die Bürgerinnen und Bürger, nachvollziehbar zu machen, zum Beispiel können Sie meine Reden, Reiseberichte und Positionspapiere, aber auch z.B. meine (in der Regel nicht vorhandenen) Nebeneinkünfte auf meiner Homepage unter http://www.gerhardschick.net einsehen.
Außerdem braucht es natürlich Medienvielfalt, damit die Öffentlichkeit gut über die politische Arbeit der PolitikerInnen informiert wird.
Viele Grüße
Gerhard Schick