Frage an Gerhard Schick von Dieter O. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Schick,
demnächst stehen Entscheidungen zu Finanzhilfen für Zypern an.
Welche Haltung nehmen Sie hierzu ein?
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Offergeld
Sehr geehrter Herr Offergeld,
vielen Dank für Ihre Frage. Nach meiner Überzeugung sollten folgende Kriterien bei den Hilfskrediten für Zypern zugrundelegt werden:
Jedes Hilfspaket muss auch ökonomisch sinnvoll sein. Hilfe, die nur neue Kreditlasten bringt ohne Aussicht auf eine Möglichkeit, diese Kredite zurückzuzahlen, verschiebt das Problem nur in die Zukunft. Deshalb muss sichergestellt sein, dass Zypern die europäischen Hilfskredite an die europäischen SteuerzahlerInnen auch zurückzahlen kann: Wenn Zypern die Mittel erhielte, die es im letzten Sommer beantragt hat, würde seine Schuldenquote von derzeit um rund 100% auf über 180% seines BIP ansteigen. Zum Vergleich: Der IWF betrachtet im Fall Griechenlands eine Schuldenquote von 120% gerade noch als tragfähig, die bis 2020 erreicht werden soll und die derzeit bei etwa 150% des BIP liegt.
Ich halte vor diesem Hintergrund eine umfassende Beteiligung des Privatsektors zur Wiederherstellung der Schuldentragfähigkeit Zyperns für unerlässlich, bevor die europäischen Hilfen ausgezahlt werden. Die Bank-Gläubiger und auch Einleger oberhalb der gesetzlich garantierten Grenze sollten hier ihren Beitrag leisten.
Zweitens geht es um Anpassungen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik Zyperns, um nach der Blase den aufgeblähten Finanzsektor wieder auf eine tragfähige Größe zurückzuführen. Derzeit ist er fast 8mal so groß ist wie die jährliche zyprische Wirtschaftsleistung, der europäische Durchschnitt liegt beim 3,5-fachen. Eine Bankenrestrukturierung führt in Richtung dieser Normalisierung. Dasselbe gilt für eine zweite Gruppe von Forderungen gegenüber Zypern, nämlich die Aufgabe seiner Eigenschaft als Steuer- und Geldwäscheoase. Auch dies reduziert die Größe des Finanzsektors. Zypern muss dazu seine bisherige Standort-Politik als Steueroase dauerhaft und überprüfbar beenden. Es kann und darf nicht länger sein, dass über Zypern Steuermilliarden europäischer Konzerne ins Ausland geschafft werden. Steuerschlupflöcher müssen geschlossen und der Dumping-Körperschaftsteuersatz von 10% deutlich angehoben werden. Richtwert sollte dabei der europäische Durchschnitt sein. Weitere erforderliche Anpassungen in der Steuerpolitik sollten u.a. die Einführung einer Quellensteuer von 15% auf Zinsen, Dividenden und Lizenzgebühren umfassen, die ins Ausland fließen. Vor allem die derzeitige Quellensteuerfreiheit von Zahlungen in außereuropäische Steueroasen muss beendet werden.
Auch Zyperns Positionierung als Geldwäschesalon für zweifelhafte Milliarden unter anderem aus Russland muss dauerhaft und nachprüfbar beendet werden. Zwar wehrt sich Zypern vehement und auf höchster politischer Ebene gegen die Vorwürfe, Geldwäschestandort zu sein. Aber wie sonst lässt sich erklären, dass Russland der wichtigste Investor in Zypern ist, und umgekehrt das kleine Zypern der größte Investor in Russland, wie Daten der russischen Zentralbank belegen? Hier drängt sich der Eindruck nach Geldwäsche im großen Stil auf. Es braucht daher eine europäische Mission, die die vollständige Umsetzung, Einhaltung und Kontrolle internationaler und europäischer Geldwäschenormen sicherstellt. Denn die vorliegenden internationalen Berichte zur Geldwäsche, auf die Zypern sich beruft, beruhen allein auf Selbstauskünften Zyperns, so dass deren Umsetzung offen bleibt. Außerdem gehört das zyprische Staatsbürgerschaftsrecht von Regelungen befreit, die es bisher erlauben, dass reiche Nicht-Zyprioten sich die zyprische Staatsangehörigkeit faktisch erkaufen können.
Nicht zuletzt sollte Zypern ebenfalls eine Finanztransaktionssteuer einführen. Wer Hilfe für seinen Finanzsektor beantragt, sollte auch gemeinschaftlichen Projekten im Finanzmarktbereich seine Zustimmung nicht verweigern.
Viele Grüße
Gerhard Schick