Frage an Gerhard Schick von Eric R. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Schick
Im Augenblick steht Francois Hollande davor den Spitzensteuersatz stark anzuheben. Er stößt damit auf voraussehbare Kritik.
Ich habe ebenso Ihre sehr gelungenen Kurzfilme über die Schuldenproblematik gesehen und war vor allem auf Ihre Lösungsansätze gespannt.
Als Laie verstehe ich doch, daß es kaum eine Alternative dazu gibt, Vermögen zu belasten, um Schulden abzubauen. Präsident Roosevelt hat dies wohl geschafft mit einem Bündel von Maßnahmen, die ihn heute wahrscheinlich zum bestgehassten Mann der Welt machen würde.
Ich erkenne, wie verschämt, wenn überhaupt, über solche Maßnahmen gesprochen wird. Es existieren auch schlagkräftige Lobbygruppen, die gegenteilige Slogans in den Medien platzieren (Initiative Neue Soziale Marktwirtschsaft).
Ebenso meine ich gelernt zu haben, daß die Schuldenberge überall, auch in Deutschland, dazu führen, daß permanent Vermögen bei den Inhabern akkumuliert wird, bis dahin, daß zB. in Griechenland Renten, Krankenkassen etc teilenteignet werden. Aber auch bei uns bezahlen 2/3 der Gesellschaft die Vermögenszuwächse des oberen 1/3.
Ist es nicht naiv, anzunehmen, daß ein Schuldenabbau durch Sparen und Wirtschaftswachstum betrieben werden kann?
Wie kann sich Politik wieder von den Interessen der Vermögensinhaber emanzipieren?
Halten Sie die Geldschöpfung durch sich prozyklisch(!) verhaltende Banken wirklich für die bessere Lösung? Als eben z.B. eine Vollgeldlösung?
Würden Sie z.B. einen Francois Hollande in seinem Vorhaben Anheben des Spitzensteuersatzes unterstützen?
Vielen Dank für Ihre Arbeit. Sie machen mir Mut.
Eric Raasch
Und: Kann ich Sie hier von Stuttgart aus in Ihrer Arbeit unterstützen?
Sehr geehrter Herr Raasch,
vielen Dank für Ihre Nachricht, über die ich mich natürlich angesichts Ihrer weitgehenden inhaltlichen Zustimmung zu meinen Positionen sowie dem Angebot zur Unterstützung besonders gefreut habe. Ich will der Reihe nach auf Ihre Punkte eingehen.
Wie es Herr Hollande nun in Frankreich getan hat, fordern in der Tat auch wir Grüne eine Anhebung des Spitzensteuersatzes. Wir sind dabei jedoch deutlich moderater, indem wir einen Höchstsatz von 49% für das Einkommen oberhalb von 80.000 Euro anstreben. Wie auch die sogenannte "Reichensteuer" in Deutschland, die auf Einkommen oberhalb von 250.000 Euro (bzw. 500.000 Euro für Verheiratete) erhoben wird, erachte ich den französischen Satz von 75% für Einkommen oberhalb von 1 Mio. Euro Einkommen eher für Symbolpolitik. Dagegen ist im Grundsatz nichts einzuwenden - einen relevanten Beitrag zur notwendigen Sicherung der Finanzierung öffentlicher Aufgaben wird man so aber nicht erzielen. Dafür ist es wichtiger, die Progression, die heute bereits bei Einkommen von über rund 53.000 Euro aufhört, zu verlängern und damit auch höhere Einkommen angemessen steuerlich heranzuziehen. Ohnehin ist die Einkommensteuer allein nicht geeignet, die massive Ungleichheit in der deutschen Gesellschaft zu mindern. Hierfür sind etwa die Abschaffung der "Flat Tax" Abgeltungsteuer für Kapitaleinkünfte von 25% sowie die Besteuerung hoher Vermögen deutlich entscheidender.
Wie Sie richtig schreiben, ist die Verteilungssituation in Deutschland dafür aber nicht die einzige Begründung - vielmehr ist der Abbau von Vermögen notwendige Voraussetzung für den Abbau von Schulden. Denn die Schulden der einen sind immer die Vermögen der anderen. Deswegen ist die von uns Grünen geforderte einmalige Vermögensabgabe (siehe http://bit.ly/WdE2Iw ) so wichtig. Und sie haben recht, dass ein hoher Schuldenstand auch die Spirale der Umverteilung beschleunigt, weil mehr steuerfinanzierte Zinszahlungen an die Inhaber der Staatsanleihen (also an die Vermögenden) fließen. Allein mit Sparen und mehr Wachstum werden wir also sicher nicht aus dieser Krise kommen. Allerdings ist auch dies in Maßen notwendig - in Griechenland etwa gibt es durchaus das Potential zum Sparen sowie auch zu einer ökologischen Ankurbelung des Wachstums, beispielsweise über Investitionen in erneuerbare Energien. Doch zu starkes Sparen erreicht letztlich das Gegenteil, weil es die Wirtschaft abwürgt, wie wir in den letzten Jahren sehr eindeutig beobachten konnten.
Sie sprechen einen weiteren wichtigen Punkt an: den Einfluss von Lobby-Gruppen. In der Tat herrscht hier natürlich ein Ungleichgewicht zugunsten Vermögender und großer Unternehmen - die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, hauptsächlich finanziert vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall, ist hier nur ein Beispiel unter vielen. Ich setze mich daher zum Beispiel seit Langem dafür ein, Spenden von Unternehmen an Parteien ganz zu verbieten - denn implizit ist damit immer die Erwartung einer Gegenleistung verbunden. Die OECD hat wiederholt auf diese Gefahr hingewiesen: Soziale Ungleichheit führt zu stark unterschiedlicher politischer Beteiligung. Hier besteht ein Teufelskreis, der durchbrochen werden muss, nämlich dass es sich Spitzenverdiener leisten können, die Politik auf ihre Interessen auszurichten und sich dadurch Spitzenverdienste für die Zukunft sichern.
Zuletzt noch zu Ihrer Frage der Vollgeldlösung: Ich habe mich mit diesem Thema bereits recht intensiv beschäftigt - zuletzt erneut, nachdem eine Forschergruppe des IWF zu einem überraschend positiven Ergebnis bei der Bewertung dieses sogenannten Vollgelds (also der Rückführung des Geldschöpfungsmonopols in die öffentliche Hand) gekommen ist: durch ein solches System, so schreiben die Forscher, würde unkontrolliertes Kreditwachstum vermieden, Bank-Runs ausgeschlossen, Staatsschulden in Staatsvermögen umgewandelt und private Schulden drastisch reduziert werden können. Es könnten nur noch Investitions- und keine Spekulationskredite mehr vergeben werden, weil sich keine Schneeballsysteme mehr durch die Geldschöpfung der Banken aufbauen könnten. In der Tat würde es kein prozyklisches Verhalten der Finanzinstitute mehr geben können, sodass auch die Konjunkturzyklen insgesamt ausgeglichener sein könnten.
Dennoch bleibt fraglich, ob das "Vollgeld" die Exzesse auf den Finanzmärkten tatsächlich zügeln kann, die sich in der nicht-monetären, spekulativen Sphäre abspielen. So weist selbst der IWF auf die Gefahr von ‚near-monnies‘ hin, also dass einfach neue Paare von Forderungen und Verbindlichkeiten geschaffen werden, die nicht als Geld umlaufen. Darüber hinaus bleibt fraglich, ob die Notenbanken beim Vollgeld nicht eine viel zu starke Stellung im Gesamtgefüge bekommen. Denn sie würden ja letztlich die gesamte Kreditvergabe quantitativ steuern. Ich halte die Überlegungen in diese Richtung also für interessant, glaube aber, dass hier noch viele Fragen unbeantwortet sind.
Besonders gefreut hat mich Ihr Angebot mitzuwirken. Dazu würde ich gerne noch einmal direkt Kontakt mit Ihnen aufnehmen. Schicken Sie mir doch bitte eine Mail mit Ihren Kontaktdaten an mein Mannheimer Büro: gerhard.schick@wk.bundestag.de