Frage an Gerhard Schick von Matthias P. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Dr. Schick,
eine Frage zur Eurorettung:
Nach langen Verhandlungen wird es ein drittes Rettungspaket für Griechenland geben.
Dem Vorausgegangen ist der Bruch wichtiger Grundlagen der Währungsunion (No-Bail-Out Regel, Stabilitätspakt, Verbot der Staatsfinanzierung) und der Aufbau gewaltiger ökonomischer Ungleichgewichte (Target II 719,352 Mrd. Euro, divergierende Zinssätze, divergierende Arbeitslosigkeit). Die Risiken der Krisenstaaten sind zu einem Grossteil sozialisiert worden.
Es ist offensichtlich, dass es im Euroraum keine gleichgerichtete Wirtschafts- und Fiskalpolitik gibt. Auch die von der Bundesregierung genährte Hoffnung, durch vertiefte Integration (Sparkommissar, Fiskalpakt) die Mängel der Währungsunion zu beheben, ist unreal. Seid dem Vertrag von Maastricht hat die EU keine substantiellen Integrationsfortschritte gemacht.
Oft wird darauf hingewiesen, dass Deutschland besonders vom Euro profitiert. Dann frage ich mich, warum sich die deutsche Exportstärke nicht in Lohnzuwächsen niederschlägt, das Defizit auf Bundesebene weiter wächst, die Renten in Deutschland effektiv gekürzt werden und die Sparer aufgrund der EZB-Geldpolitik mit null-Zinsen enteignet werden.
Vor diesem Hintergrund gewinne ich den Eindruck, dass das Projekt Euro wirtschaftlich gescheitert ist und dessen politische Fortsetzung sehr reale Kosten und Risiken für Deutschland und die anderen Staaten der Eurozone hat. Die Rettungspolitik der Bundesregierung ist gescheitert.
Daher meine Fragen:
- Werden Sie für das dritte Hilfspaket für Griechenland stimmen?
- Die strukturellen Schwächen der Währungsunion werden weiter bestehen und machen dauerhafte Transfers nötig. Damit ist eine Transferunion Realität. Unterstützten Sie diese Politik?
- Wie stehen Sie zum Bruch der Bestimmungen des Maastrichter Vertrags? Ist die EU nicht eine Union des Rechts und Deutschland ein Rechtsstaat?
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.
Viele Grüße
Matthias Pintsch
Sehr geehrter Herr Pintsch,
zunächst sei der Richtigkeit halber gesagt, dass es kein drittes Rettungspaket für Griechenland gibt, sondern Änderungen an dem zweiten Paket. Weiterhin ist die No-Bailout-Regel m.E. nicht gebrochen worden. Denn es steht den europäischen Mitgliedsstaaten selbstverständlich frei, einen anderen europäischen Staat finanziell zu unterstützen. Sie dürfen aber, so die Regel, nicht dazu gezwungen werden.
Ich gebe Ihnen aber Recht, dass die Risiken der Krisenstaaten sozialisiert wurden. Und zwar hinter dem Rücken demokratisch gewählter Parlamente über die Bilanz der Europäischen Zentralbank. Während wir Grünen eine gewisse gemeinschaftliche Haftung für die Überwindung der Krise für unabdingbar halten, ist diese schleichende Haftung aber ein Armutszeugnis Merkelschen Krisenmanagements.
Deutschlands Exportindustrie hat sehr vom Euro profitiert, weil es keine Lohnzuwächse gab. Zu D-Mark Zeiten hätten die dadurch resultierenden Exportüberschüsse sofort zu einer Aufwertung geführt. Deutsche Produkte wären teurer geworden und deutsche Löhne hätten international eine höhere Kaufkraft erzielt.
Das Projekt Euro ist wirtschaftlich meines Erachtens nicht „gescheitert“, wie Sie ausdrücken, sondern es ist nicht vollendet. Wir müssen die Konstruktionsfehler jetzt mutig beheben.
Ich habe den Änderungen am zweiten Griechenlandpaket zugestimmt. Ich halte die Gesamtstrategie der Bundesregierung zwar für verfehlt. Aber jetzt, nachdem Griechenland alle Forderungen der Geldgeber eingelöst hat, die Freigabe zu verweigern und damit das Land aus dem Euro zu treiben, hielte ich für nicht richtig. Außerdem sind wichtige Verbesserung enthalten, die uns einer realistischen Perspektive für Griechenland näher bringen.
Die Reform des Stabilitätspakts war notwendig, weil der Stabilitäts- und Wachstumspakt keine gute Regel enthielt, sondern nur eine starre Schuldenregel, die in guten Zeiten zu viele und in schlechten Zeiten zu wenig Staatsschulden ermöglichte. Außerdem vernachlässigte er die Tatsache, dass nicht nur exzessive Staatsverschuldung, sondern auch exzessive Privatverschuldung (etwa in Spanien und Irland) jetzigen Ungleichgewichte bescheren und eine Währungsunion in Schwierigkeiten bringen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Schick