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Gerhard Schick
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Frage von Markus J. •

Frage an Gerhard Schick von Markus J. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Dr. Schick,

wie werden sie Ende Juni über den Fiskalpakt und ESM abstimmen?

Wenn sie dem ESM zustimmen, würde ich sie höflich bitten, meine Fragen zu beantworten und ernst zu nehmen:

-Liegt Ihnen eine amtliche deutsche Übersetzung der Verträge vor?

-Wenn ja, seit wann liegt diese vor und wo ist sie veröffentlicht?

-Haben sie und ihre Partei eine juristische Analyse vorliegen, in der die Vorwürfe der ESM-Gegner stichhaltig, fundiert und nachvollziehbar widerlegt werden:
Auswahl der Argumente der Gegner:
http://www.focus.de/politik/deutschland/kisslers-konter/kisslers-konter-mit-dem-esm-endet-europa_aid_766565.html

http://stop-esm.org/

Kurzanalyse vom Bund der Steuerzahler:
http://stop-esm.org/up/datei/esm_vertrag_mega_bank___super_gau___kurzanalyse_vom_bund_der_steuerzahler.pdf

-Ist die (hoffentlich vorhanden) Analyse öffentlich verfügbar?

Mit freundlichen Grüßen

M. Jocher
Feudenheim

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Jocher,

zunächst einmal muss ich mich für meine späte Antwort entschuldigen.
Wie Sie sicher mitbekommen haben, habe ich für den Europäischen Stabilitätsmechanismus gestimmt. Das Bundesverfassungsgericht hat uns Mitte September bezüglich der juristischen Sorgen vieler Bürgerinnen und Bürger Recht gegeben. In der Vorbereitung lag uns selbstverständlich eine deutsche Übersetzung der Verträge vor.

Da ich zum ESM u.a. auf dieser Seite schon mehrfach Stellung bezogen habe, gehe ich im Folgenden die Hauptkritikpunkte der Seite „Stop ESM“ durch:

Die Betriebsaufnahme der ESM-Mega-Bank
1. wird Deutschlands Finanzhoheit endgültig und unwiderruflich aushebeln und beenden

Das ist ganz eindeutig nicht der Fall. Das deutsche Parlament muss bei allen Arten von Entscheidungen des ESM Gouverneursrates – seien es die Auszahlung von Hilfsgeldern, die Änderung von Finanzinstrumenten oder Kapitalerhöhungen – seine Zustimmung geben. Das geht aus dem ESM Gesetz (Drucksache 17/9045) Artikel 2 deutlich hervor.
Da Kapitalabrufe, oder die Gewährung von Stabilitätshilfen durch den ESM gemäß Artikel 5 Absatz 6 des Vertrages einstimmig getroffen werden müssen, kann auch nicht über Deutschland hinweg entschieden werden. Das deutsche Parlament behält damit zu allen Zeitpunkten seine Hoheit über das Budgetrecht.

2. führt zu unbegrenzter Haftung Deutschlands für andere Euro-Länder und deren Banken (link)
Das stimmt nicht. Das Verfassungsgericht hat das ja gerade geprüft, woraufhin das auch noch einmal von den anderen Euro-Staaten bestätigt wurde.

3. ruiniert finanziell den deutschen Nationalstaat und die Masse seiner Bürger

Man muss die Haftung im Verhältnis zu unseren Risiken sehen: Laut Berechnungen des Sachverständigenrates hat Deutschland Forderungen gegenüber dem Euro-Ausland im Umfang von etwa 2,8 Billionen Euro. Die Target 2 Forderungen sind in dieser Rechnung noch nicht berücksichtigt, insgesamt würden sich also Forderungen von fast 3,5 Billionen Euro ergeben, die bei einer Wiedereinführung nationaler Währungen in Gefahr wären. Wer bei der Höhe der Haftung nicht über diese für uns bestehenden Gefahren spricht, führt die Menschen in die Irre. Betrachtet man beides, wird deutlich, wie wichtig gemeinsames europäisches Handeln ist, gerade um uns nicht finanziell zu ruinieren.

4. eliminiert Deutschland als freien Nationalstaat und löst ihn in einer Euro-Fiskalunion auf

Der ESM löst an keiner Stelle den deutschen Nationalstaat auf. Sonst hätte das Bundesverfassungsgericht dem ESM kein grünes Licht gegeben.

5. liefert Europas Bürger unkontrollierbarer Gewalt der ESM-Bank und ihrer Gouverneure aus

Die Gouverneure müssen erst durch ihre nationalen Parlamente ermächtigt werden, um Entscheidungen treffen zu können. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil Mitte September zudem klargestellt, dass auch die Geheimhaltungspflichten der ESM Mitarbeiter eine Informierung des Bundestages über den ESM nicht behindern dürfen. Die Haftungssumme für Deutschland ist ohnehin gemäß Artikel 8 Absatz 5 auf 190 Milliarden Euro begrenzt. Auch das hat das Bundesverfassungsgericht klar gemacht und sogar noch verdeutlichen lassen. Alle Möglichkeiten diese Haftung zu erweitern gehen nur über den Deutschen Bundestag und die anderen nationalen Parlamente.

Darüber hinaus ist der ESM keine Bank. Sie beziehen sich wahrscheinlich auf Artikel 32 Absatz 9, laut dem der ESM von allen Zulassungs- und Lizenzierungspflichten befreit ist. Das macht ihn aber noch nicht zu einer Bank. Die EZB hat ein Verbot die Staaten der Euro-Zone, oder seine Institutionen, worunter auch der ESM fällt, direkt zu finanzieren. Damit hat der ESM auch keinen Zugang zu Refinanzierungsgeschäften irgendwelcher Art.
Artikel 32 bezieht sich also viel eher darauf, dass der ESM keine Lizenz braucht, um seiner Arbeit als Rettungsschirm nachzugehen.

6. treibt Deutschland und seine Bürger über Fiskalunion und ESM-Bank in die Hände der internationalen Finanz- und Machtoligarchie und gibt sie zur Plünderung frei.

Ich halte nichts von Verschwörungstheorien. Was allerdings stimmt, ist, dass durch die falsche Art der Bankenrettung in Europa an vielen Stellen die GeldgeberInnen der Banken (Aktionäre, aber auch andere KapitalgeberInnen) geschont und die Lasten vom Bankensektor auf den Staat übertragen wurden. Ich setzte mich daher für einen europäischen Bankenrestrukturierungsfonds ein, der auch größere Banken ohne Rückgriff auf den Steuerzahler abwickeln kann.

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Schick