Frage an Gerhard Schick von Martin S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Dr. Schick,
Ihr Parlamentskollege Geis hat sich am 02.03.2012 auf diesem Forum folgendermaßen erklärt:
"Bei einem Auseinanderbrechen der Eurozone wäre die gewaltige Summe von rund 500 Mrd. Euro aus dem Target-2 verloren."
Damit hat er gezeigt, daß er sehr informiert war, denn am 10.06.12 hat uns die Zeitung "Welt" in dem Beitrag "Gigantische Verluste bei der Rückkehr zur D-Mark" erklärt, daß dies darauf zurückzuführen sei, daß Deutschland insbesondere bei einem Euro-Ausritt den Vertrag über die Währungsunion verletzt und dann als vertragsbrüchige Partei keinerlei Forderungen an das Euro-System mehr geltend machen kann. Wenn Deutschland nicht austritt und letztenendlich die Eurozone pleite geht, dann bleiben allen Beteiligten ohnehin nur noch die bis dahin aufgelaufenen Schulden und Spesen.
Seit März sind drei Monate vergangen, die Risiken Deutschlands insbesondere aus Target2 sind in dieser kurzen Zeit um 40% auf 700 Mrd. Eur angewachsen, mehr als zwei deutsche Jahres-Staatshaushalte. Bevor es Herbst wird, haben wir beim Target2 die Billion erreicht.
Von den anderen angewachsenen Risiken aus ESM, ESFS, etc. möchte ich gar nicht erst reden.
Vor diesem Hintergrund hier meine Frage:
Wie lange wollen Sie diesen Unsinn noch mittragen? Bis alle Beteiligten pleite sind, oder hören Sie schon früher auf?
Ihre Antwort ist recht interessant, denn Vorsatz bedingt, daß Sie sich nicht mehr auf eine Haftungsbefreiung berufen können.
Sehr geehrter Herr Schweiger,
vielen Dank für Ihre Fragen. Zu der Thematik der Target2-Salden habe ich bereits in meiner Antwort an F. M. vom 28.6.2012 auf www.abgeordnetenwatch.de Stellung genommen.
Mit Ihrer Frage bezüglich der ´Pleite aller Beteiligten´ kommt es explizit darauf an, wen Sie damit genau meinen. Denn es ist in der Tat so, dass die Verschuldung, die insgesamt auf vielen Volkswirtschaften liegt, mittelfristig nicht tragbar ist. Dies gilt ja nicht nur für die bekannten Krisenländer wie Griechenland, Portugal und Spanien. Denn man darf nicht nur auf die Staatsverschuldung gucken, die fälschlicherweise von konservativer Seite als die Hauptursache der Krise propagiert wird, sondern man muss die Verbindlichkeiten der Privathaushalte, Unternehmen und Staaten zusammen betrachten. Diese gesamtgesellschaftliche Schuldenquote ist so rapide gestiegen, dass sie mittelfristig zu Instabilität führen muss, wenn wir sie nicht geordnet abbauen. Dazu habe ich in einem Positionspapier ausgiebig Stellung genommen, das Sie hier einsehen können: http://www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Green-New-Deal_Antwort_Schuldenkrise_Gerhard-Schick.pdf
Ich denke daher anders als es in Ihrem Beitrag anklingt nicht, dass Europa an sich das Problem ist. Ein ungezügelter Finanzmarkt hat uns in eine Finanzkrise geführt. Das katastrophale Krisenmanagement der Bunderegierung, die Symptome und nicht die Ursachen bekämpft, hat diese Krise verschleppt und verteuert. Natürlich wurden bei der Konstruktion des Euros Fehler gemacht. Insbesondere wurde versäumt, Aufsichtsstrukturen und Abwicklungsmechanismen für die grenzüberschreitend tätigen Banken zu etablieren. Dieser und andere Fehler müssen jetzt korrigiert werden.
Wichtig ist bei dem Blick auf ESM, EFSF und andere Stabilisierungsmechanismen nicht zu übersehen, welche Probleme Deutschland drohen, wenn wir nichts tun, um die Krisenländer zu stabilisieren. Der Sachverständigenrat der Bundesregierung hat diese Risiken für Deutschland mit 2,8 Billionen Euro beziffert und damit wesentlich höher als die bisher gewährten Garantien ( http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/download/sondergutachten/sg2012.pdf )
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Schick