Frage an Gerhard Schick von Franz H. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Schick,
in der aktuellen Videobotschaft auf der Homepage www.singhammer.net räumt Ihr Abgeordnetenkollege als erster Bundestagsabgeordneter öffentlich ein, daß das gesamte Haftungsrisiko für Deutschand über eine Billion = tausend Milliarden liegt.
Dabei hat er allerdins vergessen, daß er vor zwei Wochen im zuge der Euro-Katastrophe für den Bankenfonds Soffin gestimmt hat, das macht 560 weitere Milliarden.
Am 28.01.2012 meldete das Handelsblatt Online: "Am Donnerstag hat der Bundestag für die Reaktivierung des 480 Milliarden Euro schweren Bankenrettungsfonds Soffin gestimmt. Mit den EU-Hilfen stehen die deutschen Steuerzahler nun für mehr als eine Billion Euro gerade."
Mit den in Singhammers Videobotschaft angegebenen von der EZB aufgekauften PIGS-Bonds, dem derzeitigen Target2, und dem Griechenland II von gestern komme ich auf insgesamt 1,700 Milliarden Haftungsrisiken = etwa fünf Staatshaushalte.
Wie haben Sie denn gestern beim Griechenland II gestimmt? Wahrscheinlich dafür.
Und wie haben Sie vorher beim Soffin-Paket gestimmt? Wahrscheinlich auch dafür.
Und außerdem wäre noch interessant, wie weit Sie beim Risiko insgesamt mitgehen werden bzw, wo für Sie die Grenze erreicht ist. Bei einem Gesamtrisiko für Deutschland von jetzt fünf Bundeshaushalten, oder bei zehn Bundeshaushalten? Oder wollen Sie uns gleich für eine ganze Generation die Zukunft rauben, beispielsweise indem Sie den ESM in der jetzt bekannten oder einer ähnlichen Form durchwinken?
Sehr geehrter Herr Honegger,
vielen Dank für Ihre Frage.
Ich kann Ihre Besorgnis zum Thema Euro und ESM durchaus verstehen. Die Bundesregierung versäumt es in meinen Augen, Transparenz zu schaffen bezüglich des Krisenmanagements.
Ich habe dem zweiten Hilfspaket für Griechenland und dem ESM Vertrag zugestimmt. Das Gesetz zur Neuauflage des SoFFin habe ich abgelehnt. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. September bestätigt mich dabei in der Annahme, dass der ESM-Vertrag anders als von vielen KritikerInnen moniert, mit unserer Verfassung im Einklang steht. Die vom Verfassungsgericht angemahnte Klarstellung in Bezug auf die Haftungsobergrenze ist inzwischen erfolgt.
Da Sie offensichtlich an der bisherigen Krisenstrategie zweifeln, möchte ich Ihnen zustimmen. Das Krisenmanagement führte uns bisher eher tiefer in die Krise als aus ihr heraus. Allerdings nicht, weil Deutschland zu viel Haftung übernommen hätte, sondern weil wir es auf falsche Weise, mit falschen Konditionen getan haben.
Wichtig ist bei der Kritik an der Höhe der vom Bundestag beschlossenen Haftungsgrenzen, sich immer über die für Deutschland bestehenden Risiken im Klaren zu sein. Laut Berechnungen des Sachverständigenrates hat Deutschland Forderungen gegenüber dem Euro-Ausland im Umfang von etwa 2,8 Billionen Euro. Die Target 2 Forderungen sind in dieser Rechnung noch nicht berücksichtigt, insgesamt würden sich also Forderungen von fast 3,5 Billionen Euro ergeben, die bei einer Wiedereinführung nationaler Währungen in Gefahr wären.
Hinzu kommen die schwer bezifferbaren Risiken einer starken Aufwertung einer nationalen Währung beim Auseinanderbrechen des Währungsraums sowie einer negativen Reaktion an den Finanzmärkten, die nach wie vor nicht so stabilisiert sind, wie das wünschenswert wäre. Diese Effekte sind nicht quantifizierbar, trotzdem aber mitzuberücksichtigen. Vor diesem Hintergrund wird die Größenordnung der Haftungssumme verständlich und deutlich, um was es für Deutschland eigentlich geht.
Was das Krisenmanagement betrifft, sollte der Fokus viel stärker auf einen tatsächlichen Abbau der überhöhten privaten wie staatlichen Schulden gelegt werden. Wir Grünen unterstützen deshalb den Vorschlag des Sachverständigenrats für einen Schuldentilgungspakt, der den Abbau exzessiver Staatsschulden über mehrere Jahre vorsieht. Auf nationaler Ebene fordern wir eine einmalige Vermögensabgabe, die ausschließlich der Rückführung der Staatsschulden dient.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Schick