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Gerhard Schick
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Frage von Eugen S. •

Frage an Gerhard Schick von Eugen S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Dr. Schick,

in Ihrer Antwort an Frau Schreiber vom 29.07.2011 schrieben Sie, dass Eurobonds ein probates Mittel wären, um einerseits die Zinsausgaben einiger Länder zu reduzieren und andererseits einen starken Anreiz zur Haushaltskonsolidierung zu geben, wenn sie nur bis zu etwa 60 % des BIP ausgegeben würden. Wie würde Griechenland mit der derzeitigen Verschuldung von 150% des BIP die restlichen 90% finanzieren können?

Weiterhin schrieben Sie, dass Sie durch Eurobonds keine Verteuerung der Kredite Deutschlands sehen. Welche Argumente halten Sie den 150 Professoren der Volkswirtschaftslehre entgegen, die strikt gegen die Einführung von Eurobonds sind, weil sie die Eurobonds als die Komplettierung der Finanzkatastrophe betrachten?

Ist Griechenland technisch gesehen insolvent mit seinen Schulden von €330Mrd.? Wird Deutschland seine Forderungen gegen Griechenland und andere europäischen Staaten jemals zurück erhalten? Kann Deutschland sein AAA-Rating behalten, wenn die Analysten bei ihren Berechnungen die Ausfälle der Bürgschaften berücksichtigen? Werden die Retter zu Gejagten?

Glauben Sie, dass die Einführung strenger Regeln in den nationalen Haushalten der EURO-Länder eingehalten wird, nachdem selbst die heutigen weichen Regeln fortlaufend verletzt werden?

Welche Chancen geben Sie bei der nächsten Bundestagswahl den Parteien, welche Eurobonds befürworten? Befürchten Sie nicht die Gründung neuer radikaler Parteien, welche zusammen mit den vorhandenen nationalistischen Parteien und einer dank Eurobonds-Ablehnung wieder erstarkten FDP die Wahl gewinnen werden?

Mit freundlichen Grüßen

Eugen Schiebel

http://www.finanzen100.de/video/prof-homburg-eurozone-wird-zusammenbrechen-deutsches-aaa-in-gefahr-_H120737358_50147144/

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Sehr geehrter Herr Schiebel,

Sie haben mehrere Fragen gestellt.
1) Der griechische Schuldenstand ist nicht tragfähig. Unsere Vorschläge zur Umschuldung von Griechenland sehen vor, dass zum Marktwert griechische Anleihen in europäisch getauscht werden können. Da viele Papiere in der Nähe von 50% und teils noch weit darunter notieren, könnte dadurch die Schuldenlast Griechenlands zu Lasten der Gläubiger sehr deutlich und auf ein tragfähigeres Niveau gemindert werden. Weiteres können Privatisierungen etc. leisten.

2) Die bestehenden europäischen Anleihen (Emissionen des derzeitigen Rettungsfonds EFSF, Europäische Investitionsbank etc.) notieren derzeit etwa 0,8% über den Anleihen Deutschlands. Zusammen mit der Überlegung, Eurobonds nur zu einem begrenzten, stabilitätswahrenden Teil der Staatsverschuldung begeben zu dürfen, werden die Mehrkosten nach meiner Einschätzung also beherrschbar ausfallen. Rechnungen hingegen, nach denen sich die deutsche Kreditaufnahme bei der Einführung von Eurobonds sehr stark verteurerte, sind nicht überzeugend.

3) Das Rating Deutschlands muss man im Blick haben. Genau deshalb ist der bisher gewählte Rettungsweg problematisch, weil er letztlich darauf hinausläuft, dass Deutschland die gesamten öffentlichen Schulden der Eurozone garantieren müsste. Europäische Anleihen, bei denen die Eurozone gemeinsam haftet, sind daher für Deutschland besser.

4) Die politischen Regeln sind in der Vergangenheit nicht immer eingehalten worden, weil sie immer mit politischen Tauschgeschäften zwischen den europäischen Regierungen verbunden waren. Deswegen müssen mit der Einführung von europäischen Anleihen auch Entscheidungskompetenzen verändert werden: weg von den Regierungen, die sich selbst natürlich nicht sinnvoll kontrollieren, hin zu Kommission und Parlament, zusätzlich bessere Kontrolle durch die Rechnungshöfe. Außerdem müssen wir sicherstellen, dass die Risiken exzessiver Kreditvergabe eingepreist werden. Das sollte durch eine glaubwürdige Gläubigerbeteiligung beim künftigen Rettungsschirm, dem ESM, geschehen.

5) Die Debatte in Deutschland vernachlässigt die Risiken, wenn wir Deutschen nicht zu einer gemeinsamen Krisenbewältigung bereit sind. Die Schweiz erlebt gerade, wie es für ein reiches Land ohne Euro in Europa derzeit ist: Die massive Aufwertung des Franken führt zu wirtschaftlichen Problemen für die wichtigsten Branchen des Landes. Das würde Deutschland drohen, wenn wir versuchen würden, den Weg alleine zu gehen - hinzu käme bei einer unkontrollierten Pleite europäischer Staaten eine hohe Rechnung für deutsche Banken, Versicherungen, Exporteure und die öffentlichen Haushalte. Ich bin daher überzeugt, dass viele Menschen einer europäischen Lösung zustimmen werden, weil sie die für Deutschland bessere ist.

Viele Grüße
Gerhard Schick