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Gerhard Schick
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Frage von Ellen S. •

Frage an Gerhard Schick von Ellen S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Schick,

Sie verweisen bezüglich der "Rettungsschirm"-Thematik auf die Webseite der Grünen. Leider sind die Aussagen dort sehr allgemein gehalten und nicht geeignet, Licht ins Dunkel zu bringen. Die Grünen fordern Euro-Bonds zur Stabilisierung der Euro-Währung. Sie wollen also, daß die finanzschwachen Euro-Länder weiterhin von billigen Krediten profitieren, obwohl genau das zu der untragbaren jetzigen Situaion geführt hat, daß diese Länder über ihre Verhältnisse gelebt haben. Gleichzeitig wird Deutschland bei Ausgabe von Eurobonds zukünfitig mehr Zinsen als nötig für Kredite bezahlen müssen.
1.Was hat also Deutschland davon, wenn es weiterhin in der Eurozone, so wie sie jetzt besteht, verbleibt, außer, daß wir Steuerzahler zukünftig mit noch höheren Steuern zur Kasse gebeten werden?
2. Wie erklären Sie den Beschäftigten in Deutschland, daß hierzulande trotz Wirtschaftswachstum und trotz Produktivitätssteigerungen die Kaufkraft ständig sinkt?

Freundliche Grüße

Ellen Schreiber

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Schreiber,

vielen Dank für Ihre Frage zum Euro-Rettungsschirm. Ich stimme mit ihrer Einschätzung überein, dass die Kreditzinsen für Griechenland zu lange auf einem zu niedrigen Niveau lagen, wodurch die Staatsverschuldung erst so groß werden konnte wie sie heute ist. Wesentliche Probleme lagen im Missmanagement der griechischen Haushaltspolitik sowie in mangelnden Eingriffsmöglichkeiten der Europäischen Union, um Fehlentwicklungen bereits im Ansatz angehen zu können. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt hat sich einseitig auf die Staatsverschuldung einzelner Länder konzentriert, und war auch in der Bekämpfung dieser nicht überzeugend. Weiterhin wurden andere wichtige Stabilitätsgrößen wie eine ausgeglichene Leistungsbilanz, also dem Verhältnis von Importen zu Exporten, unberücksichtigt gelassen. Wie wichtig dies ist kann man im Vergleich Deutschlands und Spaniens feststellen. Obwohl die Verschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Spanien deutlich niedriger als in Deutschland ist, sind die Zinsen, die Spanien für eigene Kredite zahlen muss deutlich höher als hierzulande. Der Grund liegt in den deutschen Exportüberschüssen bzw. im spanischen Leistungsbilanzdefizit. An dieser Stelle braucht es eine eng koordinierte europäische Wirtschaftspolitik, die Fehlentwicklungen frühzeitig angeht.

Diese wirtschafts- und haushaltspolitische Koordinierung wäre eine Voraussetzung für Eurobonds. Dann aber wären Eurobonds, die sich an einer stabilitätswahrende Grenze orientierten und nur bis zu etwa 60 % des BIP ausgegeben werden dürften, ein probates Mittel um einerseits die Zinsausgaben einiger Länder zu reduzieren und andererseits einen starken Anreiz zur Haushaltskonsolidierung zu geben. Kredite, die die Grenze für Eurobonds überschritten wären dann voraussichtlich deutlich teurer, sodass es haushaltspolitisch sehr unattraktiv wäre, höhere Schulden aufzunehmen. Eine Verteuerung der Kredite Deutschlands durch Eurobonds sehe ich nicht. Eurobonds würden auf eine riesige Nachfrage institutioneller Investoren treffen. Ähnlich wie bei US-amerikanischen Staatsanleihen würden Investoren nicht um Eurobonds herum kommen, was eine niedrige Verzinsung, etwa auf Niveau der Bundesanleihen heute, garantieren würden. Im Vergleich dazu müssen die USA derzeit trotz immenser Verschuldung und hohen Leistungsbilanzdefizit nicht mehr als Deutschland für ihre Schulden zahlen. Der Grund liegt in der Präferenz des Finanzmarkts zu Gunsten von standardisierten und hochliquiden Produkten. Eurobonds würden genau in diese Gruppe fallen.

Ihre zweite Frage zielt auf die Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Lohnentwicklung in Deutschland in den letzten Jahren. Während in den exportorientierten Branchen durchaus beachtliche Lohnzuwächse verhandelt werden konnten, sind die Einkommen insbesondere im Bereich einfacher Dienstleistungen gefallen. Insbesondere im Bereich der Leiharbeit arbeiten Menschen teilweise genauso produktiv wie Festangestellte, müssen sich allerdings mit einem niedrigeren Lohn abfinden. Für Unternehmen sind Leiharbeiter dadurch doppelt günstig - einerseits sind sie im Krisenfall einfach zu entlassen, andererseits sind die Lohnkosten für sie auch noch günstiger. Diesen gesetzlich verankerten Fehlanreiz gilt es so schnell wie möglich aufzulösen: Wir stehen für gleichen Lohn für gleiche Arbeit sowie für einen gesetzlichen Mindestlohn, der Dumpingarbeit einen Riegel vorschiebt.

Freundliche Grüße

Gerhard Schick