Portrait von Gerhard Schick
Gerhard Schick
Bündnis 90/Die Grünen
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Gerhard Schick zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Klaus H. •

Frage an Gerhard Schick von Klaus H. bezüglich Finanzen

Guten Tag Herr Schick

Angesichts der Finanzkrise wurden bislang erschreckend wenig Finanzffragen an den finanzpolitischen Sprecher der Grünen gestellt.
Die Handlungsoptionen der Grünen zur Regulierung des Finanzmarktes liegen nach meiner recherche vorwiegend in der Beschränkung der Kreditvergabe der Banken (Leverage-ratio). Andere eingriffsoptionen wie das einhegen der Geschäftsmodelle der Banken (Trennbanken) finde ich nur als Schlagworte.
Mich würde nun zwei Dinge interessieren:
1. Was passiert denn nun mit der Ökonomie wenn man plötzlich einen Großteil der Kreditvergabe über das Leverage Ratio einschränkt. Wie soll denn ein Grüner New Deal finanziert werden ? Existieren hierzu überhaupt Kapitalmarkt-Analysen ?
2. Banken sind die Königsklasse der kapitalistischen Ökonomie. Sie sind in eine Phase eingetreten die offensichtlich das Wachstum gesellschaftlichen Wohlstandes eher behindert (zertört) als fördert. Halten sie diese Entwicklung für zufallsbedingt oder eher für systemisch ? Wie konkret sind ihre Überlegungen zur Beschränkung der Geschäftsmodelle von Banken ?

mit freundlichen Grüßen

Portrait von Gerhard Schick
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Hering,

vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihr Interesse! Aktuelle Positionen meiner Fraktion zum Thema Finanzmarktregulierung (Stand: Juni 2010) können Sie hier nachlesen:

http://www.gerhardschick.net/images/stories/Finanzmarktpolitik/fraktionsbeschluss%20stabilefinanzm%E4rkte%20150610.pdf (Langfassung)

http://www.gerhardschick.net/images/stories/Finanzmarktpolitik/fraktionsbeschluss_finanzm%E4rkte_kurzfassung.pdf (Kurzfassung)

Darin finden Sie, dass wir ein Internes Trennsystem für Banken fordern, d.h: in den Konzernaufbau europäischer Universalbanken wollen wir obligatorische „Firewalls“ zwischen Investment-Banking einerseits und dem klassischen Kreditgeschäft mit der Realwirtschaft andererseits einziehen. Das heißt: Investmentbanking und Kreditgeschäft dürften zwar auch künftig noch unter einem einzigen Bankendach operieren – aber rechtlich, kapitalisch, organisatorisch und regulatorisch herrschte Trennung. Das riskante Investmentbanking hat dabei härtere Anforderungen zu tragen als das klassische Bankgeschäft. Wichtige Vorteile eines solchen Vorgehens:

- Der Staat könnte etwaige Hilfen bei Schieflagen auf das klassische Bankgeschäft konzentrieren – verspekuliert sich die Investmentsparte, kann sie in die Insolvenz entlassen werden, ohne dass Negativauswirkungen auf das klassische Kreditgeschäft zu befürchten wären (relevant als Teillösung für die Too-Big-To-Fail-Problematik);

- Eine solche glaubhafte Ausgrenzung des Investmentbankings von der impliziten Staatsgarantie wirkte stark disziplinierend auf das Risikoverhalten der Banken und steuerzahlerschonend zugleich;

- Banken würden ihr Eigenkapital wieder verstärkt für die Vergabe von Krediten statt zur Spekulation einsetzen, weil sich die Finanzierung der Realwirtschaft wieder mehr lohnte.

Die Forderung nach einer Leverage Ratio (Schuldenbremse für Banken) ist unter anderem vor dem Hintergrund der im internationalen Vergleich sehr schwach mit Eigenkapital ausgestatteten deutschen Banken zu sehen: Bei gegebener Kreditvergabe sehe ich bei Einführung einer Leverage Ratio nur dann mögliche Probleme, wenn nicht zugleich das Eigenkapital erhöht wird. Basel III geht vor diesem Hintergrund in die richtige Richtung. Außerdem soll die Leverage Ratio der Illusion der immer korrekten Messbarkeit von Risiken, wie sie in der derzeitigen Bankenregulierung noch unterstellt wird und der Krise zu Tage getreten ist, entgegen wirken. Zudem hat bspw. Kanada, das sehr gut durch die Krise gekommen ist, vorgemacht, dass eine Leverage Ratio keinesfalls mit unzureichender Kreditversorgung einhergehen muss. Wir stehen mit unserer Forderung übrigens nicht allein: Auch der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium fordert die Einführung einer Leverage Ratio (vgl. http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/Studien/reform-von-bankenregulierung-und-bankenaufsicht-wissenschaftlicher-beirat,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf ). Denkbar ist überdies, sie im Rahmen des von uns geforderten internen Trennsystem (s.o.) innerhalb verschiedener Bankenfunktionen differenziert auszugestalten.

Wie wir die Finanzmärkte für die Finanzierung des Green New Deals einsetzen wollen, können Sie in einer Vielzahl von Papieren nachlesen, die Sie hier finden: http://www.gerhardschick.net/index.php?option=com_content&task=blogcategory&id=61&Itemid=77

Die Ursachen der Finanzkrise halte ich eher systemischer Natur als zufälliger. Zu den systemischen Ursachen gehört unter anderem auch die im Vorfeld der Krise herrschende zu große Nähe zwischen Finanzaufsicht und Finanzindustrie sowie der Lobbyismus.

Mit freundlichen Grüßen

Gerhard Schick