Frage an Gerhard Schick von Jürgen W. bezüglich Wirtschaft
Zunächst einmal Lob für Ihre Erwähnung in der heutigen Wahlempfehlung der FTD: "Ihr Finanzpolitiker Gerhard Schick hat sich hier einen exzellenten Ruf erarbeitet." Von diesem Redaktionsteam für wirtschaftliche Kompetenz gelobt zu werden kommt ja einem Adelsschlag sehr nahe.
Meine eigentliche Frage dreht sich jedoch um die Wahltaktik, genauer um die Vergabe der Erststimme. Ich denke es ist realistisch anzunehmen, daß der Mannheimer Direktkandidat der Kandidat der SPD oder der CDU sein wird - wie wahrscheinlich in allen Wahlkreisen Westdeutschlands. Welchen Sinn macht es dann, seine Erststimme dennoch einem Kandidaten der ´kleinen Parteien´ zu geben, z. B. Ihrer Person?
Dieses soll keine provokative Frage darstellen, sondern sie ist durchaus ernst gemeint.
Sehr geehrter Herr Wulf,
danke für Ihre Frage. Erstmal: Welche Partei klein und welche groß ist - das hat sich ja in der letzten Zeit etwas relativiert. Es gab bei der Europawahl und bei den letzten Kommunalwahlen eine ganze Reihe von Wahlbezirken, in denen die Grünen vor der SPD lagen. In Stuttgart stellen wir die größte Fraktion, lagen also bei der Kommunalwahl auch vor der CDU. Ähnliches gilt für Linkspartei und SPD in den ostdeutschen Bundesländern. In Sachsen ist die SPD nur ganz knapp vor der FDP. So ganz sicher kann man sich also mit der Prognose, dass nur CDU oder SPD gewinnen können, nicht mehr sein.
Manche Wählerinnen und Wähler gehen taktisch an ihre Wahlentscheidung heran, überlegen sich also, was bewirkt meine Stimme in der konkreten Entscheidungssituation. Das Risiko dabei ist, dass man die genaue Entscheidungssituation meist nicht kennt, weil es auf lokaler Ebene keine präzisen Umfragen gibt. Außerdem wird dann oft die Wahl bei der Erststimme zur Wahl des kleineren Übels. Aber man kann dann zum Beispiel in Baden-Württemberg Überhangmandate für die CDU verhindern, wenn man den SPD-Kandidaten wählt.
Andere wollen auf jeden Fall die richtige Person unterstützen, denjenigen, der am besten den eigenen politischen Überzeugungen entspricht. Wem zum in Mannheim Beispiel konsequenter Klimaschutz wichtig ist, der wird es schwierig haben zu entscheiden zwischen Herrn Jüttner und Herrn Rebmann, die beide für die Klimaschutzdiskussion abgesagt haben und beide für den Neubau des Kohlekraftwerks sind.
Wieder andere geben mit der Erststimme auch ein Zeichen persönlicher Unterstützung, wissend, dass natürlich innerparteilich, aber auch innerhalb einer Stadt auf Erststimmenergebnisse geschaut wird. Das ist dann nicht unbedingt identisch mit der Parteienpräferenz. Mir haben im Wahlkampf zum Beispiel nicht wenige Leute gesagt: "Herr Schick, ich finde Ihr Engagement in Mannheim und in Berlin klasse. Ich bin zwar eigentlich Sozialdemokrat / habe zwar eigentlich immer CDU gewählt. Aber ich will Sie als überzeugenden und engagierten Politiker unterstützen." Oder: "Ich finde es empörend, dass Herr Jüttner praktisch gar keinen Wahlkampf gemacht und sich vielen politischen Diskussionen durch Abwesenheit entzogen hat. Aber einen Gewerkschafter will ich nicht wählen. Sie kriegen diesmal meine Stimme."
Viele Grüße
Gerhard Schick