Frage an Gerhard Lein von Wolf M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Lein,
Im Regierungsprogramm der SPD (Hamburg) gibt es im Kapitel „Hamburg ist vielfältig“ den Abschnitt „Religiöse Vielfalt in HH“ .Dort wird geschrieben, dass die Religionsgemeinschaften „wichtige Partner im Dialog“ für die SPD sind, „wenn es um Fragen der Zukunft unserer Stadt und des Zusammenlebens in unserer Stadt geht“.
Da über 60% der Hamburger konfessionsfrei sind, stellt sich die Frage:
Ob und wie nimmt die SPD in zukünftiger Regierungsfunktion die Mehrheit der Konfessionsfreien überhaupt zur Kenntnis und führt auch einen Dialog mit den Konfessionsfreien über die Fragen der Zukunft unserer Stadt?
Sehr geehrter Herr M.,
bevor der intensive Wahlkampf der letzten Tage heute Abend zuende geht (bei mir heute morgen noch 5 Std. Infostand nachher noch etwas "Klinkenputzen") zwischendurch eine Antwort auf ihre scheinbar einfache Frage.
Die SPD nimmt alle Menschen der Stadt in ihren ganz verschiedenen Bezügen ernst. Das gilt auch für religiöse Gemeinschaften. Und weil das so ist, hat die SPD-Fraktion und die von der SPD getragene Regierung Staatsverträge mit Religionsgemeinschaften geschlossen, die nicht zu den beiden traditionellen deutschen Großkirchen und den Juden gehören. Das ist schon mal ein gewaltiger Schritt und eine Entwicklung, die aus meiner Sicht noch nicht abgeschlossen ist. Die muslimischen und alevitischen Gemeinschaften bekennen sich auf diese Weise ganz ausdrücklich zu unserem politischen und gesellschaftlichen System. Eine Gemeinschaft bzw. Organisation der Konfessionsfreien gibt es nicht. Mir sagte kürzlich ein Atheist dazu: Ich bin doch nicht Mitglied in keiner Kirche, damit ich dann wieder in einer Bekenntnis-Organisation, vielleicht einer atheistischen, sein soll. In anderne Worten: es gibt keine bedeutsamen Organisationen, die sich ausdrücklich als bekenntnisfrei oder agnostisch oder atheistisch o.ä. bezeichnen. Es gibt indes eine beträchtliche Zahl kleinerer Vereinigungen, so z.B die Giordano-Bruno-Stiftung, der Humanistische Verband, die Stiftung Geistesfreiheit, die Jugendweihe e.V., u.a.m., die sich jüngst im Säkularen Forum Hamburg zusammengeschlossen haben. Ziel dieses Zusammenschlusses ist sicherlich, den Einfluss auf die öffentliche Meinung und die Politik zu verstärken. Gut!, sage ich. Mit den Vertretern dieser säkularen Organsiationen hatte ich im Herbst beim SPD - "Dialog der Kulturen" im Rathaus-Festsaal ein anregendes Gespräch. Sicherlich wird sich die Kommunikation mit dem Säkularen Forum in der nächsten Zeit verstärken, da bin ich mir gewiss. Und für den Fall meiner Wiederwahl werde ich auch aktiv beteiligt sein.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Lein
PS: Mit der von Ihnen genannten Zahl 60% Konfessionsfreier in Hamburg, habe ich gewisse Probleme: Die Zahl der Menschen, die sich zu einer der Kirchensteuer einziehenden Groß- und Kleinkirchen bekennen, enthält nicht diejenigen, die sich zu den zahlreichen Freikirchen und Sekten als religiösen Gemeinschaften (= Konfessionen) zählen lassen. Deren Zahl kann man nämlich nur sehr vage schätzen. Ich glaube, dass die Zahl der konfessionsfreien etwas geringer ist, als Sie darstellen. Dennoch: Ich bin aber mit Ihnen der Auffassung, dass wir in der Politik die Organisationen der Konfessionsfreien, also insbesondere das Säkulare Forum stärker wahrnehmen sollten.