Frage an Gerda Hasselfeldt von Martina U.
Sehr geehrte Frau Hasselfeldt,
der Steuerzahlerbund hat sich gegen neue Hilfen für Athen aus dem Rettungsschirm ESM ausgesprochen. "Das Prinzip, Zeit für Griechenland mit viel Geld der Steuerzahler zu erkaufen, ist zum Scheitern verurteilt", heißt es in einer Mitteilung des Verbandes vom Montag in Berlin. Den Steuerzahlern würden weitere Haftungsrisiken aufgebürdet, die unvertretbar seien.
Ziehen Sie in Erwägung einem weiteren Rettungsschirm zuzustimmen?
Werden Sie sich vor einer Abstimmung im Bundestag für ein Referendum zur Griechenlandhilfe in Deutschland einsetzen?
Wenn nein, warum gelten die demokratischen Mittel nur für Griechen? Sind wir EU-Bürger zweiter Klasse?
Vielen Dank für Antwort
Mit freundlichen Grüßen
Martina Uhlemann
Sehr geehrte Frau Uhlemann,
für Ihre Nachricht zum Thema Finanzhilfen für Griechenland vom 13. Juli, die Sie mir über abgeordnetenwatch.de haben zukommen lassen, danke ich Ihnen.
Seit Anfang des Jahres setzt sich die europäische Politik intensiv mit der Situation in Griechenland auseinander. Nach monatelangen Verhandlungen konnte in Brüssel eine Übereinkunft über das weitere Vorgehen erzielt werden. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble haben im Sinne der Menschen in Deutschland nach den Prinzipien der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag gehandelt und dafür gesorgt, dass Hilfeleistungen nur gegen konkrete Reformen gestattet werden. Das heißt: es wird nur dann über den Start eines neuen Hilfsprogramms für Griechenland entschieden, wenn die griechische Regierung einen schlüssigen Reformplan liefert und die Vollziehung erster Reformmaßnahmen nachweist.
Die Verärgerung über das Verhalten der Regierung in Griechenland und die damit verbundene Unsicherheit über ihre weitere Vorgehensweise kann ich gut nachvollziehen. Die von Ministerpräsident Alexis Tsipras geführte Regierung hat mit ihrem verantwortungslosen Handeln viel Vertrauen zerstört. Nun muss diese Regierung endlich zeigen, dass sie die Solidarität Europas verdient und die notwendigen Reformen umsetzen kann.
Das griechische Parlament hat am 15. Juli ein erstes Paket von Sofortmaßnahmen beschlossen, u.a. Maßnahmen zu einer Mehrwertsteuer- bzw. Rentenreform, zur vollständigen Umsetzung des europäischen Fiskalvertrages und zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der griechischen Statistikbehörde. Zudem wurde am 22. Juli ein zweites Paket verabschiedet, das eine Reform der Zivilprozessordnung zur Beschleunigung von Verfahren sowie die Umsetzung der europäischen Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Banken in nationales Recht vorantreibt. Mit diesen Beschlüssen hat das Parlament bewiesen, dass Griechenland bereit ist, Reformen durchzuziehen. Damit wurde eine Basis für weitere Verhandlungen geschaffen. Um das verlorene Vertrauen wiederaufzubauen, müssen jedoch weitere Maßnahmen folgen.
Die griechische Forderung nach einem Schuldenschnitt wurde von allen Mitgliedstaaten der Eurozone abgelehnt. Nun soll ein unabhängiger Fonds eingerichtet werden, in dem die Vermögenswerte durch Privatisierung griechischer Staatsunternehmen transferiert werden sollen. Er soll von den griechischen Behörden unter Aufsicht der maßgeblichen europäischen Organe verwaltet werden und sowohl für die Rückzahlung der Hilfskredite als auch für Investitionen genutzt werden. Bei der Vereinbarung eines neuen Hilfsprogramms wird sich Griechenland zu Reformmaßnahmen verpflichten müssen, die über das hinausgehen, was als letzter Vorschlag der Gläubiger vor Abbruch der Verhandlungen durch Griechenland am 25. Juni auf dem Tisch lag. Unter anderem muss die griechische Regierung stärker Liberalisierung in zahlreichen Branchen vorantreiben, den Arbeitsmarkt flexibler gestalten, mehr Wettbewerb im Energiesektor etablieren und die Verwaltung modernisieren. Die im Widerspruch zu der Vereinbarung mit der Eurozone vom 20. Februar eingeführten gesetzlichen Regelungen soll die Regierung auch rückgängig machen. Zudem wird die Troika nach Athen zurückkehren, um den Reformprozess wieder vor Ort zu überwachen.
Vor diesem Hintergrund hat die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag der Aufnahme von Verhandlungen über ein weiteres Kreditprogramm zugestimmt – nicht dem Start eines solchen Programms oder der Auszahlung von Mitteln selbst. Diese Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen. Aber mit der Zustimmung zum Beginn der neuen Verhandlungen mit Griechenland haben wir sichergestellt, dass die griechische Regierung in Vorleistung treten und endlich Verantwortung für eine glaubwürdige und nachhaltige Reformpolitik übernehmen muss.
Wir tragen Verantwortung für die Bürger unseres Landes, die in Krisenzeiten gerade der CDU/CSU eine besondere Rolle zuschreiben. Mit den EU-Gipfelergebnissen übernehmen wir auch die gebotene Verantwortung für die Stabilität unserer gemeinsamen europäischen Währung und für das politische Friedensprojekt Europa. Wir wollen ein Europa der Eigenverantwortung mit solidarischem Prinzip und dafür setzen wir uns – auch im Sinne der deutschen Steuerzahler – ein. Nur wenn grundlegende Prinzipien von allen anerkannt werden, kann eine Gemeinschaft wie die Eurozone funktionieren. Dennoch: Es geht nicht nur um ökonomische und finanzielle Fragen, sondern es geht um die Einheit Europas. Wir dürfen bei allem verständlichen Ärger über Griechenland keinen Riss in Europa riskieren.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Gerda Hasselfeldt