Frage an Gerda Hasselfeldt von Sophie U. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Hasselfeldt,
in Ihren Beitrag vom 19.09.2013 in Antwort auf die Frage von Herrn Brisebard zitieren Sie mit Bezug auf mögliche wirtschaftliche Folgen des Transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP eine Studie, der zufolge „der Gewinn für die Wirtschaft in der EU jährlich 119 Milliarden Euro betrüge“. Aus unserer Sicht ist das eine missverständliche Formulierung.
Diese Zahl geht dabei auf eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie des Center for Economic and Policy Research (CEPR) zurück. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Effekte des TTIP Abkommens prognostiziert das CEPR für das Bruttoinlandsprodukt der EU eine einmalige – keine jährliche – Niveauerhöhung von 119 Mrd. Euro und das auch erst nach zehn Jahren, also im Jahr 2027. Dies entspräche einem Plus von 545 € für einen vier-Personen-Haushalt in der EU oder 136,25€ pro Person.
Einer transparenten Information ist es unseres Erachtens auch geschuldet zu erwähnen, dass sich die Prognose des ifo Instituts München über 400.000 neue Arbeitsplätze in der EU als Folge von TTIP auf ein sehr optimistisches Szenario bezieht – sprich: ein umfassendes Freihandelsabkommen, bei dem sämtliche Handelshemmnisse wie beispielsweise auch sprachliche Barrieren ausgeräumt sind.
Wir bitten Sie, die von Ihnen angeführten Zahlen zu korrigieren und würden uns diesbezüglich über eine Rückmeldung von Ihnen sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Sophie Unger
foodwatch
Sehr geehrte Frau Unger,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 20. Mai 2015, in der Sie sich auf ein Schreiben vom 18.09.2013 zum Thema TTIP beziehen. Ich freue mich, dass Sie mir Gelegenheit geben, meine Position zu diesem Thema zu erläutern.
Freier weltweiter Handel mit Waren und Dienstleistungen ist die Grundvoraussetzung unserer wirtschaftlichen Stärke. Wir brauchen sie für den Erhalt von Lebensqualität, hohen sozialen Standards und der kulturellen Vielfalt innerhalb der Europäischen Union. Internationaler Handel und grenzüberschreitende Investitionen unterliegen schon heute umfassenden multilateralen und bilateralen Handels- und Investitionsschutzregeln. Diese wurden und werden im Laufe der Jahre und Jahrzehnte ständig weiter entwickelt.
In den vergangenen Jahren wurde mit einer Vielzahl groß angelegter Simulationsstudien versucht, die ökonomischen Auswirkungen der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) abzuschätzen. Die verschiedenen Studien und ihre Nutzung sind kontrovers. Anhand von Modellen errechnen sie die Auswirkungen des Abkommens und kommen dabei zu teils variierenden Ergebnissen bezüglich der konkreten wirtschaftlichen Effekte. Dies hängt unter anderem mit den unterschiedlichen zugrunde liegenden Annahmen etwa zum Ambitionsniveau eines Abkommens oder zur Höhe der verbleibenden Zölle zusammen. Dazu sollten die Ersteller der Studien selbst befragt werden. Die deutliche Mehrheit der Studien jedenfalls bezieht sich auf ein umfassendes Freihandelsabkommen und kommt zu dem Ergebnis, dass TTIP nennenswerte Wohlstandsgewinne auf beiden Seiten des Atlantiks bringen wird.
Ich bin davon überzeugt, dass das geplante Abkommen zwischen der EU und den USA eine große Chance für Europa und besonders für die Exportnation Deutschland ist. Sie profitieren in hohem Maße von international frei handelbaren Gütern und Dienstleistungen ebenso wie auch von grenzüberschreitenden Investitionen. Deutschland als größte Volkswirtschaft in der EU und drittgrößter Exporteur weltweit, wird von dieser Entwicklung in besonderem Maße profitieren. Mit TTIP möchten wir dem Freihandel zwischen der EU und den USA einen ausgewogenen Rahmen setzen. Obwohl wir eine möglichst weitgehende Liberalisierung anstreben, sind die hohen deutschen und europäischen Standards – im Arbeitsleben, beim Daten-, Umwelt und Verbraucherschutz, bei der Daseinsvorsorge und bei der Gentechnik – für uns nicht verhandelbar. Im Gegenteil, TTIP kann und soll vielmehr dazu beitragen, unsere hohen Standards auch zukünftig zu sichern.
Gerade für Europa bietet TTIP vielleicht die letzte Chance, gemeinsam mit den USA, möglichst hohe globale Schutzstandards für das 21. Jahrhundert festzulegen und dadurch dem hohen Niveau unserer westlichen Standards weltweit Geltung zu verschaffen. Angesichts des Aufstiegs anderer Gestaltungsmächte wie China, Indien und Russland, wird sich nicht zuletzt am Erfolg oder Scheitern von TTIP die Frage entscheiden, ob die westlichen Demokratien im 21. Jahrhundert in der Lage sein werden, ihre Standards auch weltweit durchzusetzen oder ob sie in Zukunft Standards anderer übernehmen müssen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Gerda Hasselfeldt