Frage an Gerd Friedrich Bollmann von Ralf B. bezüglich Recht
Nachdem Wolfgang Schäuble in einem heute (bzw. gestern) veröffentlichten Interview in der „taz“ Dinge zugegeben hat, die jeden rechtschaffenen Bürger, dem die jüngere deutsche Geschichte nicht gänzlich unbekannt ist, auf die Straße treiben sollte, würde ich gerne wissen, wie Sie (und Ihre Kollegin Frau Fischbach) zu der Thematik der Online-Durchsuchungen stehen. Siehe dazu auch Anmerkungen von mir in meinem Blog http://zweicent.blogspot.com/ und von anderen auf den von mir dort verlinkten weiterführenden Seiten. Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Brostedt,
vielen Dank für Ihre Anfrage hinsichtlich des Themas Online-Durchsuchungen.
Heimliche Durchsuchungen des PCs sind ein schwerwiegender Eingriff des Staates in die Privatsphäre. Es darf jedoch keine sicheren Räume geben, in denen Spuren begangener Verbrechen oder Anhaltspunkte für die Planung künftiger Verbrechen vor Ermittlungsmaßnahmen geschützt sind. Diese Maßnahmen müssen an hohe rechtsstaatliche Hürden gebunden werden.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 31. Januar 2007 festgestellt, dass die geltende Strafprozessordnung keine Rechtsgrundlage für die heimliche Online-Durchsuchung von Computern enthält. Der BGH hat dies insbesondere mit der Heimlichkeit der Maßnahme begründet. Hausdurchsuchungen können zwar ebenfalls zu einer Sicherung von Computerinhalten führen, müssen allerdings offen durchgeführt werden. Wenn wir in Zukunft das Ermittlungsinstrument einer heimlichen Computerdurchsuchung nutzen wollen, müssen wir hierfür eine eigene Rechtsgrundlage schaffen.
E-Mails oder Internetrecherchen können schon jetzt im Rahmen von Ermittlungen erfasst werden. Diese Ermittlungen erfassen jedoch nicht die auf dem Computer gespeicherten Daten. Derartige Datenarchive sind zur Zeit ausschließlich durch eine Hausdurchsuchung und Beschlagnahme des Computers zugänglich. Nach den gesetzlichen Vorgaben ist eine derartige Durchsuchung offen durchzuführen. Der Betroffene und seine Komplizen werden daher durch eine Hausdurchsuchung gewarnt. Dies schränkt den Nutzen einer Hausdurchsuchung insbesondere im Bereich des organisierten Verbrechens erheblich ein. Die Ermittlungsbehörden müssen in der Lage sein, Netzwerke aufzudecken, was nur durch heimliche Maßnahmen möglich ist. Zu dem Bereich des organisierten Verbrechens gehört auch die terroristische Bedrohung. Insbesondere hier geht es nicht nur um Verbrechensaufklärung, sondern auch um den Schutz der Bevölkerung und unserer staatlichen Einrichtungen. Das praktische Bedürfnis nach einer Neuregelung der Online-Durchsuchung werden wir allerdings zuvor abzuklären haben.
Die Intensität der heimlichen Maßnahme macht höhere rechtstaatliche Hürden als bei einer offenen Durchsuchung erforderlich. Darauf hat auch der BGH hingewiesen. Diese Hürden betreffen unter anderem den Katalog der Anlasstaten, Benachrichtigungs- und Löschungspflichten. Ein verfassungsrechtlich sehr wichtiger Gesichtspunkt ist der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Allerdings sollten wir bei aller Aufregung um die neuartige Recherchemaßnahme nicht vergessen, dass der Privatbereich Beschuldigter von einer traditionellen Hausdurchsuchung in gleichem Maße betroffen sein kann.
Ich bin daher für die Schaffung einer eindeutigen Rechtsgrundlage. Diese muss die richterliche Genehmigung, Überprüfung und Überwachung beinhalten. Sie muss Missbrauch verhindern, aber den Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit zur Aufdeckung und Verhinderung von Straftaten geben.
Mit freundlichen Grüßen
Gerd Bollmann, MdB