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Gerd Friedrich Bollmann
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Frage von Simone U. •

Frage an Gerd Friedrich Bollmann von Simone U. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Bollmann,

werden Sie einer Erweiterung des Euro-Rettungsschirms zustimmen und wie begründen Sie Ihre Entscheidung? Für eine baldige Stellungnahme wäre ich dankbar.

Schöne Grüße
Simone Utech

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Utech,

mit großer Wahrscheinlichkeit werde ich, wie die SPD-Bundestagsfraktion, für die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms stimmen. Die endgültige Entscheidung über Zustimmung oder Ablehnung mache ich davon abhängig, ob bei den Beratungen, wie auch vom Bundesverfassungsgericht gefordert, eine stärkere parlamentarische Beteiligung durchgesetzt wird.

Die Erweiterung des Rettungsschirms in der von der Regierung vorgeschlagenen Form ist nicht ideal, geht aber in die richtige Richtung. Ich bin überzeugt, dass wir aus vielerlei Gründen die Gemeinschaftswährung EURO erhalten müssen. Dafür müssen wir den verschuldeten Ländern helfen, ihre Krise zu überwinden. Dies kostet, das will ich nicht verschweigen, auch den Deutschen Geld. Die Alternative, den verschuldeten EURO-Ländern nicht zu helfen, wäre aber weitaus teurer für uns. Eine Staatspleite oder ein Ausschluss Griechenlands aus dem EURO-Raum, abgesehen davon, dass dies aufgrund fehlender Verträge gar nicht möglich ist, kostet uns Milliarden Euro. Bereits gewährte Kredite würden wegfallen. Die Krise würde auf andere Länder überspringen. In der Konsequenz droht ein Zerfall des EUROS und eine erneute Wirtschaftskrise, welche Deutschland mehr Milliarden und Jobs kostet als die Rettung des EURO.

Deutschland hat vom Euro profitiert. Was Ländern mit einer angeblich starken eigenen Währung passiert, wird in diesen Tagen am Beispiel der Schweiz deutlich. Der Franken hat in den letzten Wochen so stark angezogen, dass sich immer weniger Menschen Produkte aus der Schweiz oder einen Urlaub dort leisten können. Jetzt drohen große Umsatzeinbrüche und der Verlust Zehntausender Arbeitsplätze in unserem Nachbarland. Die Schweizer Nationalbank hat die Notbremse gezogen und einen festen Wechselkurs beschlossen, um weiteren Schaden abzuwenden. Deutschland würde es genauso wie der Schweiz ergehen, würde der Euro zerbrechen und die D-Mark wieder eingeführt.

Die Einigung der Staats- und Regierungschefs vom 21. Juli wirft eine Reihe von Fragen auf, die trotz intensiver Nachverhandlungen in Brüssel bis heute nicht beantwortet sind. Ob die getroffenen Absprachen ausreichen, ist nach den jüngsten Turbulenzen auf den Finanzmärkten unklarer denn je. Wie der EFSF genau funktionieren soll, wird in den europäischen Gremien immer noch heiß diskutiert. Die Frage nach Eurobonds, die ein wichtiger Schritt zur Stabilisierung der Märkte sein können, ist weiter offen. Während Frau Merkel ihre Einführung ausschloss, hält sie Herr Sarkozy immerhin als späteren Schritt für möglich. So beendet man keine Diskussion, so heizt man sie erst richtig an!

Mantraartig wiederholt wird von ihr nach wir vor: "Die EU ist keine Transferunion!", "Die EU ist keine Haftungsgemeinschaft!" - Wie sieht es in Wirklichkeit aus? Eine Transferunion gibt es seit Jahrzehnten. Bisher hat Deutschland davon massiv profitiert, beispielsweise durch den Export. Zwei Drittel unserer Ausfuhren gehen in die anderen EU-Staaten. Wir haben dadurch in erheblichem Umfang Geld und Wohlstand nach Deutschland transferiert. Jetzt ist von uns europäische Solidarität gefragt. Es ist doch unser ureigenstes Interesse, dass in den Ländern, von denen unsere Exportwirtschaft abhängig ist, stabile wirtschaftliche Verhältnisse herrschen. Sonst kann dort niemand mehr "Made in Germany" kaufen. Und wir haben auch schon längst eine Haftungsgemeinschaft. Was ist es denn sonst, wenn die Europäische Zentralbank, die wir mitfinanzieren, 96 Milliarden Euro Staatsschulden aufkauft, um die Schuldnerstaaten zu entlasten? Das Nichthandeln der Bundesregierung hat die Europäische Zentralbank auf diesen gefährlichen Weg gezwungen. Haften müssen wir dafür ohnehin.

In vielen einzelnen Punkten kann ich persönlich nicht sagen, welche Einzelentscheidung richtig ist, weil ich kein Fachmann für Finanz- und Währungsfragen bin. Darüber hinaus sind auch Experten untereinander zu einzelnen Punkten zerstritten. Sicher bin ich mir, dass wir eine strikte Kontrolle und strengere Regeln für die Finanzmärke brauchen wie gemeinsame europäische Rahmenregelungen für Haushalts-, Steuer- und Wirtschaftspolitik.

Die SPD hat sich für mehrere Kernpunkte für die Zukunft Europas und des Euros ausgesprochen:

Eine konsequente und gerechte Konsolidierungspolitik der von der Verschuldungskrise betroffenen bzw. bedrohten Mitgliedstaaten der Eurozone. Wer sich hoch verschuldet, liefert sich den Kapitalmärkten aus und wird, wenn das Vertrauen verloren geht, durch hohe Zinslasten in immer neue Schulden hineingetrieben. Diese Spirale muss unterbrochen werden. Zur Konsolidierung gehört die Bekämpfung von Korruption, Klientelpolitik und Steuerhinterziehung. Einsparungen im Haushalt sind ebenso erforderlich wie die Durchsetzung der Besteuerung. Auch Steuererhöhungen für Wohlhabende gehören dazu. Die wirksame Eigenanstrengung aller Mitglieder ist die unverzichtbare Voraussetzung der Solidarität der wirtschaftlich starken Partner wie Deutschland.

Ein intelligenter Schuldenschnitt. Ausgabenkürzungen und Strukturreformen reichen nicht aus, um Griechenland aus der Schuldenfalle herauszuführen. Deshalb muss der Privatsektor auf einen Teil seiner Forderungen verzichten. Mit einer Fristenverlängerung der Anleihen ist es nicht getan, denn durch sie sinkt die Schuldenlast nicht.

Eine Ergänzung der Konsolidierung um eine kraftvolle gemeinsame Eu­ropäische Wachstumsinitiative, die den Menschen neue Hoffnung gibt und zu einer ausgeglichen Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Wäh­rungsunion beiträgt. Ohne eine deutliche Begrenzung der realwirtschaftlichen Ungleichgewichte wird die Währungsunion nicht in die Stabilität zurückfinden. Für die Jugend ist Europa vom Symbol der Hoffnung zu einem Symbol der Angst und der Bedrohung geworden. Mehr als 5 Millionen junge Menschen in Europa sind arbeitsloslos. In Spanien sind es mehr als 45%, in Griechenland 50%. Diese Jugendarbeitslosigkeit muss durch eine Stärkung der realwirtschaftlichen Potenziale, durch Investitionen in moderne Technologien und Produktionsstrukturen und innovative Dienstleistungen bekämpft werden. Die deutsche Wirtschaft steht als Partner dafür bereit. Die Finanzierung einer solchen Wachstumsinitiative sollte über eine europaweite Finanztransaktionssteuer erfolgen.

Diese Kernpunkte werden von dem vorgeschlagenen Rettungsschirm nicht erfüllt. Nach Ansicht vieler in der SPD geht es jedoch in die richtige Richtung. Daher wird die SPD-Bundestagsfraktion wahrscheinlich zustimmen. Allerdings nur dann, wenn es bei den endgültigen Vorschlägen eine größere Beteiligung des Parlamentes gibt.

Mit freundlichen Grüßen

Gerd Bollmann, MdB