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Frage von Thorben R. •

Frage an Gerd Andres von Thorben R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Andres,

ich kenne Sie nun schon von vielen Plakaten und findes es toll, hier mal direkt meine Fragen öffentlich loswerden zu können. Ich mische die Themen ein wenig und versuche mich auf das wichtigste zu beschränken:

1. Glauben Sie wirklich, daß Politiker Arbeitsplätze schaffen können? Seit Jahren werden Steuern gesenkt und der Kündigungsschutz gelockert und trotzdem haben wir jedes Jahr mehr Arbeitlose? Und wenn Sie glauben, daß Sie da was tun können, frage ich Sie: Was?

2. Wird es mit der SPD endlich eine "echte Steuerreform" und/oder eine "echte Reform der Sozialversicherungssystem" geben oder planen Sie weiterhin Stückwerke wie bisher?

3. Was wollen Sie machen um das "Kinderkriegen" wieder zu fördern bzw. zu erleichtern und wie wollen Sie das finanzieren?

4. und letztens... Glauben Sie wirklich, daß die sog. Reichensteuer irgendetwas bringt? Wäre ein Gesamtkonzept (Steuerreform OHNe Schlupflöcher für Reiche" nicht effektiver?

Ich freue mich auf Ihre Antworten.
MfG
Thorben Rump

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Rump,

danke für Ihre Anfrage, in der Sie eine ganze Reihe von Fragen ansprechen, auf die ich einzelnen antworten möchte

ad 1.
Der wichtigste Beitrag der Politik auf Bundesebene zur Schaffung von neuen Arbeitsplätzen und zur Verringerung der Arbeitslosigkeit besteht darin, die Rahmenbedingungen für unsere Volks­wirtschaft mit Blick auf den internationalen Wettbewerb beschäftigungsfördernd zu gestalten. Die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen selbst ist in einer Marktwirtschaft vorrangig Aufgabe der Unternehmen. Es ist unbestritten, dass die Höhe der Unter­nehmenssteuern, die Höhe der der Lohn­nebenkosten (einschließlich der Beiträge zur Sozialversicherung) und die Flexibilität des Ar­beitsmarktes maßgebliche Stellschrauben für die Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsnachfrage von Unternehmen sind.

Allerdings gibt es die ungebrochenen Zusammenhänge - wie niedrige Steuern und niedrige Lohnnebenkosten gleich und unmittelbar weniger Arbeitslose - auf dem Arbeitsmarkt kaum. Hier sind die Zusammenhänge regelmäßig komplexer. Maßgeblich für die Zahl der Arbeitslosen ist unter anderem die Frage, wie viele Menschen in einer Volkswirtschaft überhaupt erwerbstätig sein wollen. So steigt z.B. seit Jahren die Erwerbsbeteiligung von Frauen in Deutschland. Maß­geblich ist aber auch, wer als Arbeitsloser gezählt und wie die Zahl der Arbeitslosen ermittelt wird. Mit der Einführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende ist allein aufgrund statistischer Effekte die Zahl der Arbeitslosen um etwa 360.000 gestiegen.

Beschäftigungspolitisch erfolgreiche Volkswirtschaften in Europa, wie etwa Großbritannien und Dänemark, haben eindrucksvoll belegt, wie durch politische Maßnahmen und unternehmerische Aktivitäten die Zahl der Arbeitslosen gesenkt werden kann. Auch wir in Deutschland haben mit unseren Reformen die richtigen Weichenstellungen vorgenommen: Die Zahl der Erwerbstätigen steigt seit Monaten an; wir erwarten für den Herbst einen Anstieg der sozialversicherungspflich­tig Beschäftigten. Dies wird auch zu einer Abnahme der Zahl der Arbeitslosen führen.

ad 2.
Ich verstehe nicht, warum Sie die Reformen der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen im Bereich der Steuer- und Sozialpolitik als Stückwerk bezeichnen? Die Bundesregierung hat mit der Steuerreform 2000, deren letzte Stufe zum 1. Januar 2005 in Kraft tritt, das größte Steuersenkungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Kraft gesetzt. Damit zahlen die Steuerzahler heute, die Entlastungen durch das Steuerentlastungsgesetz eingerechnet, unterm Strich jährlich fast 60 Mrd. Euro weniger als 1998. Familien, Arbeitnehmer und mittelständische Wirtschaft sind die Hauptgewinner der Reform: 47,3 Mrd. Euro des gesamten Entlastungsvolumens kommen privaten Haushalten und 17 Mrd. Euro dem Mittelstand zugute. Das verbessert die Angebotsbedingungen für Unternehmen und zugleich die Nachfrage.

Ich weiß, dass es noch viel zu tun gibt. Wir brauchen mehr Transparenz und weniger Bürokratie im Steuerrecht. Das schreibt auch Frau Pawelski. Durch ihre Blockadehaltung im Bundesrat hat die Union aber die weitere Arbeit in den letzten Wochen und Monaten unmöglich gemacht. Ich nenne nur das Beispiel unseres Gesetzentwurfs zur Verbesserung der steuerlichen Standortbedingungen. Im Zentrum steht die Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 25% auf 19% ab dem Veranlagungszeitraum 2006. Der Entwurf kann nicht Gesetz werden, weil die Union im Bundesrat nicht zustimmt.

Stückwerk kann ich auch im Bereich der Sozialversicherungssysteme nicht erkennen. Zunächst ist es uns gelungen, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag von 42,1% im Jahr 1998 auf 41% zum 1. Juli 2005 zu senken. Das ist wichtig, weil dadurch die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen verbessert und Folge Beschäftigung gesichert bzw. geschaffen wird. Genauso wichtig ist es, dass wir die sozialen Sicherungssysteme nicht einfach gekürzt, sondern sie durch unsere Reformen zukunftssicher gemacht haben. Wir haben die umlagefinanzierte staatliche Alterssicherung durch die staatlich geförderte kapitalgedeckte Riesterrente ergänzt und die Rahmenbedingungen für die betriebliche Altersvorsorge verbessert. Im Gesundheitswesen haben wir einen wichtigen Wandel in Richtung mehr Transparenz und verstärkte Beteiligung der Patienten eingeleitet. Auch am Arbeitsmarkt hat es tiefgreifende Strukturreformen gegeben. Die Politik des Förderns und Forderns stärkt die Beschäftigungsfähigkeit und verbessert die Beschäftigungschancen der Einzelnen.

ad 3.
Dazu sind drei Schritte notwendig:
* Ein konsequenter Ausbau der ganztägigen Betreuung von Kindern aller Altersgruppen. Für die unter Dreijährigen haben wir das mit einem Bundesgesetz auf den Weg gebracht. Aber wir brauchen noch mehr Ganztagskindergartenplätze und mehr Ganztagsschulen. Bei letzterem unterstützt der Bund die Länder mit vier Milliarden Euro.
* Als zweites müssen die Arbeitsbedingungen familienfreundlicher werden. Familie darf nicht länger als Hindernis im Beruf gelten. Hier kommen wir mit der Zusammenarbeit aller Beteiligten durch Lokale Bündnisse für Familie vor Ort voran. Über 1000 Unternehmen und die Hälfte der IHKs engagieren sich in den bereits bestehenden 188 Bündnissen mit über 22 Millionen Einwohnern.
* Als drittes sind gezieltere finanzielle Hilfen für Familien wichtig. Eltern sollen für ein Jahr nach der Geburt ein Elterngeld erhalten, das wie beim Arbeitslosengeld 67 Prozent des letzten Nettoeinkommens bis zu einem Höchstsatz von 1800 Euro beträgt. Wer vorher nicht erwerbstätig war, erhält bis zu 750 Euro. Das Elterngeld wird etwa 1,3 Milliarden mehr als das jetzige Erziehungsgeld kosten. Bundeskanzler Schröder und der Finanzminister haben die Finanzierung, bspw. durch Subventionsabbau, zugesichert.

ad 4.
Ich glaube nicht, dass eine "Reichensteuer", wie Sie es nennen, ökonomisch relevante Auswirkungen auf unsere Volkswirtschaft hätte. Sie übersehen aber, wenn Sie Ihre Frage so stellen, dass sich die erhöhte Steuer auf hohe Individualeinkommen in ein Gesamtkonzept steuerlicher Reformen einbettet, die ich oben beschrieben habe. Ich habe auch bereits darauf hingewiesen, dass eine weitere Vereinfachung des Steuerrechts bisher am Widerstand der unionsgeführten Länder im Bundesrat gescheitert ist.

Als Teil unseres Gesamtkonzeptes soll die 3% erhöhte Einkommensteuer ab einem Jahreseinkommen von 250.000 Euro (Ledige) bzw. 500.000 (Verheiratete) insbesondere stärker zur Finanzierung von Bildung und Forschung herangezogen werden.

Mit freundlichen Grüßen
Gerd Andres, MdB