Frage an Gerald Grünert von Una H. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Bevorzugen Sie ein förderales Bildungssystem (wie wir es z. Z. haben) oder ein zentrales (wie z. B. Frankreich, Finnland oder früher die DDR) und warum bevorzugen Sie ausgerechnet dieses Bildungssystem?
Liebe Frau Heinecke,
ganz einfach ist die Frage nicht zu beantworten. Die föderale Struktur der Bundesrepublik ist ein konstituierendes Element des Grundgesetzes. Der Kulturföderalismus, zum dem auch die föderale Struktur des Bildungswesens gehört, bildet ihren Kern. Insofern wäre es wohl eine Illusion, der Forderung nachzugehen, das Bildungswesen vollständig zentralistisch neu zu organisieren.
Gleichwohl können in diesem System aber Bundeskompetenzen stärker oder weniger stark ausgeprägt werden.
Meine Partei tritt für mehr Zusammenarbeit zwischen Bund und Bundesländer sowie zwischen den Bundesländern in Bildungsfragen ein und nicht für weniger.
Insbesondere müssen nach unserer Auffassung einheitlich geregelt sein: der Zugang zu weiterführender Bildung, insbesondere zur Hochschulbildung, die gegenseitige Anerkennung der schulischen und akademischen Abschlüsse und das Niveau der Prüfungsanforderungen zur Erlangung von Schulabschlüssen.
Wir gehen davon aus, dass der im öffentlichen Schulwesen zu erreichende Bildungsstand im Interesse gleichwertiger Lebensverhältnisse nicht erheblich zwischen den Bundesländern differieren darf, wie das gegenwärtig noch der Fall ist. Deshalb treten wir für die verbindliche Anwendung bundeseinheitlicher schulstufenbezogener Bildungsstandards sowie für deren Überprüfung ein. Die Länder müssen nach unserer Auffassung stärker in der Pflicht sein, Bedingungen wirklich zu garantieren, unter denen diese Ziele auch von allen erreicht werden können.
Der gleiche Zugang zu guter Bildung für alle und überall ist für uns eine Grundfrage sozialer Gerechtigkeit. Das muss nach unserer Meinung nicht nur zwischen den Ländern sondern auch zwischen Stadt und ländlichen Räumen gelten.
Wir treten dafür ein, dass Bildung eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen bleibt. Den beabsichtigten Rückzug des Bundes aus Aufgaben der Bildungsfinanzierung sehen wir kritisch. Für Bildung muss mehr, nicht weniger Geld eingesetzt werden.
Insofern halten wir die derzeit von der großen Koalition auf diesem Gebiet beabsichtigten Maßnahmen im Rahmen der Föderalismusreform für Schritte in die falsche Richtung.
Das heißt aber keinesfalls, dass wir das Bildungssystem, so wie wir es zur Zeit haben, konservieren wollen. Es reproduziert, vertieft soziale Ungleichheit und das Bildungsniveau zu vieler Schülerinnen und Schüler genügt nicht den Anforderungen.
Dennoch sind wir in Sachsen-Anhalt der Meinung, dass es richtig ist, den Ländern die Möglichkeit zu belassen, unter den Rahmenbedingungen bundeseinheitlicher Standards die konkrete Ausgestaltung des Bildungswesens selbst regeln zu können. Wir sehen hierin auch eine Chance, auf dem Gebiet der Bildung dringend notwendige Reformen voranzubringen. Ein schlechtes Bildungssystem gewinnt ja nicht an Qualität, wenn es nur einheitlich und zentral gesteuert wird.
Die Linkspartei.PDS in Sachsen-Anhalt hat auch konkrete Vorschläge unterbreitet, wie dieser Gestaltungsraum genutzt werden kann. Ich verweise hier auf unseren Schulgesetzentwurf, den Sie auf der Internetseite der Fraktion der Linkspartei.PDS nachlesen können.
Im übrigen sind die Bildungssysteme in den von Ihnen genannten Beispielen sehr unterschiedlich organisiert. Während in Frankreich tatsächlich eine starke zentrale Führung durchgesetzt wird, hat der finnische Staat seit jeher den Kommunen und der Einzelschule eine hohe Verantwortung auferlegt; im Grund bestimmt die Zentralverwaltung lediglich die Bildungsstandards und übernimmt die Evaluation, selbst die Lehrerinnen und Lehrer sind Angestellte der Gemeinde.