Frage an Garrelt Duin von Iris S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Duin,
Ihre wunderbare SPD-Welt in allen Ehren. Aber letztendlich fordern Sie und Ihre Parteikollegen nichts anderes als die Wiedergutmachung der falsch eingeschätzten Ergebnisse Ihrer Politik aus Rot-/Grünzeiten.
Bei der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik hätten Sie sich besser an den skandinavischen als an den angelsächsischen Vorbildern halten sollen. Darum stimmt Ihre Aussage nicht, dass Deutschland die beste Sozialpolitik hat. In vielen Ländern, auch EU-Ländern, geht es den Leuten schlechter, in einigen jedoch auch besser. Mit dem Fordern und Erniedrigen klappt es prima, nur das Fördern lässt weiter auf sich warten.
Das Instrument 75 % Lohnzuschuss, das sie jetzt aus dem Hut zaubern, funktioniert bereits seit Jahren nicht. Und übrigens: wann werden endlich vernünftige Fortbildungen für Menschen 45+ eingeführt?
Zur Schulpolitik: Ganztagsschule - schön und gut. Es sagt jedoch nichts über die Qualität des Unterrichts aus. Warum bleiben Sie beim Sitzenbleiben-Prinzip? Warum müssen Abiturienten ein ganzes Jahr und das Abitur wiederholen, wenn sie in ein oder zwei Fächern versagen? Warum regelt man das nicht mit einer Nachprüfung? Diese Gegebenheiten bleiben trotz gegenteiliger Empfehlung erhalten.
Ihre Arbeitsmarktpolitik: Jeder Abgeordnete und Minister sollte Ihre Politik am eigenen Leib spüren und über Jahre mit € 345 sein Leben regeln. Ein Jahr oder zwei kann man überbrücken, aber wenn Anschaffungen zu machen sind, wird es prekär.
Mindestlohn: mit Harz4 haben Sie die Basis für Lohndumping geschaffen, den Sie jetzt mit Mindestlöhnen, von denen auch keiner leben kann, abschaffen wollen.
Seit mehr als drei Jahrzehnten, beobachte ich Ihre falschen Weichenstellungen. Zwei Parteien haben sich schon abgespaltet. Wann fängt die SPD an, wieder Politik für die Menschen zu machen und nicht gegen sie?
Sehr geehrte Frau Steinmetz,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 17. August 2007.
Ich möchte Ihnen zu drei Ihrer Kritikpunkte im Folgenden meine Argumente erläutern.
Sie beklagen zurecht die schlechten Beschäftigungschancen Älterer in Deutschland. Die „Initiative 50 Plus“ von Bundesarbeitsminister Franz Müntefering setzt an der richtigen Stelle an. Sie ist eine Kombination verschiedener, ineinandergreifender Maßnahmen. Es ist ein Gesamtkonzept, das darauf abzielt, in den Betrieben einen Mentalitätswechsel zu erzielen. Ältere und Jüngere können voneinander lernen.
Die „Initiative 50 Plus“ konzentriert sich auf Kombilohnelemente (Verbesserung der Entgeltsicherung für Ältere, Eingliederungszuschüsse, d.h. wer einen älteren Arbeitnehmer einstellt, der vorher 6 Monate arbeitslos war, kann für mindestens ein Jahr und in Höhe von 30% der Lohnkosten gefördert werden; Förderung der beruflichen Weiterbildung (Beschäftigte über 45 Jahren können in Betrieben mit weniger als 250 Beschäftigten die Weiterbildungskosten erlassen werden). Gerade letzteres ist präventive Politik für Ältere speziell in kleinen und mittleren Betrieben. Die Weiterbildung ist für die SPD Kern einer Strategie für mehr Beschäftigung Älterer.
Darüber hinaus wird mit „50plus“ die Initiative INQA unterstützt, bei der es um eine neue Qualität der Arbeit geht. Betriebe werden unterstützt, schon frühzeitig die Arbeitsbedingungen für mehr Beschäftigung Älterer zu schaffen. Die Befristungsregelung für Ältere ab dem 52. Lebensjahr wird europatauglich gemacht. Beschäftigungspakte für Ältere in den Regionen werden unterstützt. Darüber hinaus müssen wir die Bedingungen für fließende Übergänge gerade wegen der Erhöhung des Renteneintrittsalters verbessern.
Zu Ihrem zweiten Punkt:
Bildung ist der Schlüssel für individuelle Lebenschancen und kulturelle Teilhabe, für Entwicklung und Innovation. Wir sorgen für bessere Betreuung und Bildung von früh auf. Bildung beginnt im Elternhaus. Ganztägige Bildung und Erziehung schaffen erweiterte Möglichkeiten, alle Talente zu fördern und die Schwächen auszugleichen. Daher setzt sich die SPD für ein ausreichendes und flächendeckendes Krippenplatzangebot, ergänzt um das Modell der Tagesmütter ein. Spätestens mit der Vollendung des dritten Lebensjahres wird die frühkindliche Bildung in den Kindergärten fortgesetzt. Verbunden damit sind die Stärkung des Bildungsauftrages der Kindertagesstätten sowie die Verbesserung der Qualifizierung der Beschäftigten, um eine effektive individuelle Förderung zu gewährleisten.
Zudem setzt sich die SPD für den weiteren Ausbau von Ganztagsschulen ein. Die für das Investitionsprogramm „Zukunft, Bildung und Betreuung“ zum Bau von Ganztagsschulen geplanten Haushaltsmittel des Bundes in Höhe von vier Milliarden Euro sollen bis Ende 2009 abrufbar bleiben.
Ziel der SPD ist mittelfristig eine gemeinsame und in sich differenzierte Beschulung bis zum Ende der Sekundarstufe I, damit die Entwicklungspotenziale aller Schülerinnen und Schüler chancengleich entfaltet werden können. Nur eine Schule für alle Kinder kann dieser Herausforderung gerecht werden. Gemeinsames Lernen und individuelle Förderung stehen dabei in engem Zusammenhang. In der „Gemeinsamen Schule“ sollen alle Kinder und Jugendlichen bis zum ersten Abschluss in der Sekundarstufe I gemeinsam unterrichtet werden.
Generell gilt es die individuelle Förderung aller Kinder zu verbessern, die Sekundarstufe II, sowie die berufliche Bildung, die Hochschulausbildung und die Ausbildung zu modernisieren und zu verbessern.
Im Bezug auf ihre Kritik an den Hartz- Gesetzen kann ich Ihnen mitteilen, dass Sie den Erfolg dieser Gesetze jetzt deutlich sehen können. Durch die umfangreichen Steuersenkungen und die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe kann die Bundesrepublik Deutschland erstmals seit Jahren wieder einen Beschäftigungsanstieg und eine wachsende Wirtschaft verzeichnen.
Hierfür haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland in den letzten Jahren erhebliche Opfer gebracht. Um Arbeitsplätze nicht zu gefährden und die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Unternehmer zu sichern, haben Gewerkschaften und Belegschaften Erhöhungen der Arbeitszeit akzeptiert, flexiblen Arbeitszeitmodellen zugestimmt und sich mit sehr moderaten Lohn- und Gehaltserhöhungen begnügt. Das war notwendig und es hat sich gelohnt. Aber generell muss gelten:
1. Die Beschäftigten haben einen Anspruch auf eine gerechte Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen und Branchen. Gute Arbeit muss gerecht entlohnt werden. Jeder Mensch muss die Möglichkeit zur Teilhabe an einer sozial abgesicherten und Existenz sichernden Erwerbsarbeit haben.
2. Mit der Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf alle Branchen unterstützen wir die Tarifvertragsparteien bei der Verhinderung von Lohn- und Sozialdumping durch entsandte Billigkräfte. Die Tarifvertragsparteien sind aufgefordert, bundeseinheitliche tarifliche Mindestlöhne in allen Branchen zu vereinbaren. Soweit dies nicht erfolgt oder nicht erfolgen kann, werden wir Maßnahmen für einen gesetzlichen Mindestlohn ergreifen.
3. Wir werden konsequent gegen Sozial- und Lohndumping vorgehen. Die SPD geführte Bundesregierung hat dazu eine Task Force zur Bekämpfung des Missbrauchs der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit eingesetzt. Ihre Aufgabe ist es, die Einbehaltung des Rechts am Arbeitsmarkt und fairen Wettbewerb durchzusetzen.
Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich dafür ein, dass auch mit Hilfe des Vergaberechts Sozialdumping verhindert wird. Ein entsprechendes Gesetz zur Tariftreue bei öffentlichen Aufträgen hat der CDU/CSU geführte Bundesrat bedauerlicherweise abgelehnt. Eine solche Regelung ist zustimmungspflichtig. Wir werden dennoch alles versuchen, um den Schutz von Arbeitnehmerrechten durch das Vergaberecht zu stärken.
Mit freundlichen Grüßen
Garrelt Duin, MdB